302
III.
Buch.
Deutschland.
Renaissance in
geschickten Arbeiter habe!) An der Ostseite nach Aussen in's
Neckarthal blickend ist ein Erker vorgekragt, der gothisehe
Fenster zeigt. Der gewaltige Eckthurm N erhielt seinen acht-
eckigen Oberbau, der von grossen spitzbogigen Maasswerkfenstern
durchbrochen wird. Er wurde zur Aufnahme eines Glockenspiels
bestimmt, so dass also die ursprünglich auf Vertheidigung berech-
nete Anlage sich zu neuen Gestaltungen bequemen musste. Noch
an einzelnen anderen Stellen aus derselben Zeit findet die Re-
naissance im Schlosse Eingang. So am Ruprechtsbau bei der
grossen Inschrifttafel aus dem Jahre 1545 links vom Eingang,
wo ausgebauchte Säulen und Gebälk in noch ziemlich unsicheren
Renaissanceformen die Einfassung bilden. So in reiferer Ent-
faltung an dem grossen Kamin im Königssaale des Rupreehts-
baues2) mit seinen fein dccorirten Pilastern und "Consolen, dem
reich geschmückten Fries sammt Gesimse, dem oberen Auf-
satz und den prächtig ausgeführten Wappen, denen das goldene
Vliess hinzugefügt ist. In all der Pracht erinnert sodann Todten-
kopf und Sanduhr, sowie die Schlange an die Vergänglichkeit
des menschlichen Lebens. Als Baumeister des Kurfürsten wird
ein Meister Jacob Haidervz genannt.
Mit dem Neffen und Nachfolger Friedrichs II, dem trefflichen
Otto Heinrich (1556-1559), kommt die Renaissance dann zu
voller Entfaltung ihrer köstlichsten Blüthen. Selten hat ein Fürst
in so kurzer Regierungszeit nach allen Seiten gleich Bedeutendes
hinterlassen. Die volle Durchführung der Reformation, die weitere
Entwicklung der Universität, die sich unter ihm zu hoher Be-
deutung erhob, die Berufung und freigebige Dotirung tüchtiger
Professoren, vor Allem auch die ansehnliche Vermehrung der
weltberühmten Bibliothek, für welche er selbst auf seiner orien-
talischen Reise wichtige Handschriften erworben hatte und noch
ferner in Italien und Frankreich neue Schätze zusammen kaufen
liess, endlich die kräftige Förderung der Volksbildung- durch
tüchtige Schulen, das Alles sind leuchtende Verdienste dieses aus-
gezeichneten Fürsten. Während bei anderen Standesgenossen
häufig die Baulust alle übrigen geistigen Interessen verdrängte
und nur ein Ausfluss eitler Ruhmbegier und Prunksucht ist, er-
scheint sie bei Otto Heinrich als ein Ergebniss der hohen und
allseitigen geistigen Bildung und des lebendigen Interesses für
das gesammte Kulturleben. Der Bau, welchen er dem Schlosse
hinzugefügt, ragt nicht durch ungewöhnlichen Umfang hervor; er
WVürtemb.
bei Pfnor II, p].
Jahrb.
6.
Memminger.
V01]
Jahrg.
1826.
105.
Abb.