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III. Buch.
Renaissance in Deutschland.
Von prachtvoller Wirkung ist der grosse Thorweg, durch
welchen man in den Hof gelangt. Das Tonnengewölbe, welches
die Einfahrt bedeckt, ist in ganzer Ausdehnung schön in Stuck
cassettirt, mit grösseren achteckigen und dazwischen kleineren
rautenförmigen Feldern, alles in klassischen Formen fein ge-
gliedert und ornamentirt, in den Feldern Kaiserbüsten von Gips
auf farbigem Grunde. Der schön ausgebildete Fries ruht auf je
vier rothmarrnornen Halbsäulen dorischer Ordnung, dies Alles in
klassisch durchgebildeter Renaissance mit vollem Verständniss
der antiken Formen. Ueber dem Eingang liest man 1545 und
die verschlungenen Buchstaben OH, welche also auf Otto Hein-
rich's Bauführung deuten. In der That sahen wir schon, dass
er damals in Neuburg residirte, wo er die Reformation eingeführt
hatte, gleich darauf aber durch die Kaiserlichen vertrieben wurde.
Dennoch stutzt man über dies frühe Datum, da um jene Zeit die
klassischen Bauformen in Deutschland in dieser Weise noch nicht
bekannt und angewendet waren. Auch scheint ein kleines Seiten-
portal links mit der Jahrzahl 1538, im spätgothischen Schweif-
bogen geschlossen, die Bedenken zu steigern. Allein ein Rococo-
rahmen in Stuck, über diesem Portal angebracht, jedenfalls der
Zeit Carl 'I'heod01"s angehörend, der auch am äussern Thorweg
sein Wappen und die Jahrzahl 1752 hat anbringen lassen, durch-
sehneidet und bedeckt zum Theil die übrige Stuckdecoration und
zeugt somit für deren höheres Alter. Sodann ist zu beachten,
dass 1543 der Bau der Residenz in Landshut vollendet worden
war, der in allen Sälen und Zimmern Stuckdecorationen desselben
ausgebildeten Stiles, offenbar von der Hand italienischer Arbeiter,
besitzt. Einer der dortigen Bauherren, Herzog Wilhelm von
Bayern, stand in Beziehungen zu Otto Heinrich, dem er sogar
ein Darlehen versprochen hatte. Zwar verweigerte derselbe später
die Gewährung, weil Otto Heinrich sich zu den eifrigen Verfechter-n
des evangelischen Glaubens gestellt hattef) aber er vermochte
wohl nicht zu hindern, dass dieser für seinen Bau in Neuburg
von den in Landshut beschäftigt gewesenen Künstlern einige
herbeizog. Wenigstens kann man sich kaum auf andere Weise
diese klassischen Decorationen erklären, welche mit der Renais-
sance am Hauptportal so Stark contrastiren. Beachtenswerth ist,
dass auch an der Residenz in Landshut ähnliche künstlerische
Gegensätze bemerkbar werden, denn die Säulenhalle des vorderen
Vestibüls daselbst hat eine so unklare Renaissance, dass man in
1) Häusser,
631.