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Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
schiedenen phantastischen Fabelwesen aller Art in kraftvollem
Relief belebt, endlich das Ganze durch Vergoldung und Farben-
schmuck, namentlich blau und roth zu höchster Pracht gesteigert
Bei allem Reichthum ist aber die Wirkung durchaus harmonisch
und bezeugt das künstlerische Geschick, mit welchem in jüngster
Zeit die Restauration geleitet werden ist. Schade nur, dass der
Eindruck durch die den meisten deutschen Bauten eigene Niedrig-
keit des Raumes geschwächt wird.
Am nordwestlichen Ende des Saales führt eine Thür in die
Schlosskapelle, und zwar auf die Empore, welche den fürst-
lichen Betstuhl trägt. Die Kapelle ist ein einfaches Rechteck, in
ihrer Breite die Tiefe des westlichen Flügels umfassend, so dass
sie auf beiden Seiten durch spitzbogige Fenster mit gothischem
Maasswerk ihr Licht empfängt. Der Raum ist auffallend hoch,
da er das Erdgeschoss und die beiden folgenden Stockwerke
umfasst. Während an den Wänden nur einzelne Spuren von
ziemlich geringen Fresken, z. B. ein grosses Madonnenbild, sicht-
bar sind, ist das Gewölbe in seiner alten kräftigen Polychromie
noch wohl erhalten. Es besteht aus drei Reihen kleiner aus Holz
gebildeter Kreuzgewölbe, mit kräftigen Rippen und frei schweben-
den Consolen, die Rippen an den Seiten roth gemalt mit {dunklen
Mustern, in der Mitte blau mit vergoldeten und Versilberten Perl-
schnüren, an den Kappen goldne Sterne und musicirende Engel
auf hellblauem, wolkigem Grunde, der das Himmelsgewölbe nach-
ahmt. An der östlichen und südlichen Seite zieht sich eine sehr
hoch liegende Galerie hin, letztere für die fürstlichen Herr-
schaften, erstere zur Verbindung des Saales mit dem Thurme
des Westllügels bestimmt. Unter der südlichen Galerie ist eine
zweite für die Orgel eingebaut. Diese Galerieen haben ebenfalls
ihre ursprüngliche Decoration bewahrt. Offene Arkaden zwischen
toscanischen Halbsaulen tragen gut geschnitzte und bemalte
Apostelfiguren; darüber ist dieselbe Ordnung wiederholt. An der
Unterseite der Empore sind biblische Scenen in bemalten Reliefs
dargestellt, dies gleich dem" ganzen Galeriebau reich in Gold,
Blau und Roth gefasst, noch völlig nach dem mittelalterlichen
Princip der Polychromie. 'Auch hier also hat der Architekt, wäh-
rend am übrigen Bau die Renaissance in seltener Consequenz
durchgeführt ist, beim kirchlichen Theil seiner Aufgabe wieder
zum Mittelalter zurückgegriffen. Eine sorgfältige Wiederherstellung
Wäre dem anziehenden Raume wohl zu wünschen.