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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Theil.
Aegidius in Antwerpen nennt er Holbein "einen ausgezeichneten
Künstler", der sein Bildniss gemalt habe und nun nach England
gehe, um einige Goldstücke zusammen zu scharren: denn „hier
frieren die Künste", setzt er hinzu. Dass aber Erasmus einen
tieferen Antheil am künstlerischen Schaffen genommen hätte, steht
nicht zu vermuthen. Ihm kommt es hauptsächlich darauf an,
sein Portrait durch treffliche Künstler auf die Nachwelt zu bringen,
und das ist auch der Punkt, um. Welchen sich in seinen Briefen
an Willibald Pirckheimer die Beziehungen auf Dürer drehen. So
schreibt er: "Ich wünsche unserem Dürer von Herzen Glück. Er
ist ein würdiger Künstler, der nie sterben wird. In Brüssel hatte
er angefangen, mich zu malen: hatte er es doch vollendetlt")
Wiederholt kommt er auf diesen Wunsch zurück: „Von Dürer
möchte ich gemalt sein, wie sollte ich's nicht wünschen von sol-
ehem Künstler"?2) Wiederholt nennt er ihn einen Apelles oder
den "Ersten in der Kunst des Apelles", trägt seinem Freunde
Grüsse an ihn aufß) Als ihm endlich sein dringend nahe ge-
legter Wunsch erfüllt wird, ist er voll Dank: "ich überlege, wie
ich Dürer meinen Dank bezeigen soll: würdig ist er unsterb-
lichen AndenkensWt) Aber wie wenig das Wirken des grossen
Künstlers den grossen Egoisten innerlich berührte, offenbart sich
in den kurzen kalten Worten, die er bei der Nachricht von dessen
Tode ausspricht: „Wozu soll man Dürer's Tod beklagen, da wir
Alle sterblich sind? Seine Grabschrift ist ihm in meinem Buche
bereitefiß) Damit ist Dürer für immer abgethan.
Bei dieser oberflächlichen, nur aus Eitelkeit und Ruhmsucht
zusammengewebten Beziehung zu der Kunst des grossen Meisters
nimmt es dann nicht Wunder, dass auch in den übrigen Schriften
des berühmten Gelehrten Hinweisungen auf die Kunst fast gar
nicht begegnen. So findet man in den Colloquien, wo doch die
verschiedensten menschlichen Verhältnisse und Thätigkeiten be-
rührt werden, keine Spur einer Beziehung auf bildende Kunst.
In seinem „Lob der Narrheit", wo man dergleichen noch eher
erwarten sollte, charakterisirt er z. B. die verschiedenen Nationen:
„Die Briten rühmen sich, sagt er, ihrer Musikfi) die Franzosen
brüsten sich als an der Spitze der Civilisation stehendß) die
Pariser sind stolz auf ihre theologische Wissenschaft, die Italiener
Desid. Erasmi Rot. epistolaß (Lllgd. Bat. 1706) p. 721 B. 2) Ibid-
p. 847 D. E. 3) Ibid. p. 848. 887 E. 4) Ibid. p. 944 E. 5) Ibid. p. 1075
E. G) Erasm. Stult. laus. Basil. 1676. p. 102. Dies Lob der englischen
Musikbegabung klingt uns heute sehr wunderlich. 1) Wörtlich: ,morum
civilitatem sibi suinunt".