Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

12 
III. 
Buch. 
Deutschland. 
Renaissance in 
Allgemeiner 
Theil. 
geschränkt, andrerseits aber zugleich fördernd eingewirkt, inde 
sie das Heilige schärfer vom Profanen trennte und den Zug dt 
Kunst zur Lebenswahrheit und Weltwirklichkeit in grösserer Reii 
breit hervortreten liess. 
Am wenigsten waren die deutschen Reformatoren der Kun 
irgendwie abgeneigt. Luther, der mit scharfem Geistesauge i 
das Herz der Dinge schaute, hegte einen warmen Sinn für alle 
Schöne. Seine Freude an der Musik, die selbstschöpferisch 
Förderung des Kirchenliedes und Gemeindegesanges verbinda 
sich bei ihm mit einem offenen Blick für das Schaffen der bildei 
den Künste, vor Allem der Malerei. Er „achtet es nicht für böse 
gute Gemälde mit begleitenden Sprüchen in Stuben und Kammer 
zu malen; ja er wünscht einmal, dass „alle fürnehmliche G( 
schichten der ganzen Biblia in ein Büchlein gemalt werde, da 
dann eine wahre Laienbibel wäre".1) Von Dürer weiss er z 
erzählen, dieser habe zu aussern gepflegt, „ er hatte keine Lus 
an Bildern, die mit viel Farben gemalet, sondern die da auf" 
Einfaltigste und fein schlicht gemacht wärerfh?) Aber auch fü 
die italienische Malerei hat er einen offenen Blick, da er rühm 
„ wie geschickt und sinnreieh die welschen Maler seien, denn si 
könnten der Natur so meisterlich und eigentlich nachfolgen, das 
sie nicht allein die rechte natürliche Farbe und Gestalt geber 
sondern auch die Geberde, als lebten und bewegten sie sich" 
Und er setzt hinzu: „Flandern folget und ahmet ihnen etliche 
Massen nach, denn die Niederländer, sonderlich die Flämingel 
sind versehmitzte und listige Köpfe".3) Aber auch Melanchthon 
der bei seinem Aufenthalt in Nürnberg befreundet mit Düre 
wurde, giebt in seinen Schriften, namentlich in den Briefen wieder 
holt Zeugniss von einem lebendigen Interesse am künstlerischer 
Schaifen. An mehreren Stellen aussert er sich über den „be 
rühmten Maler und vortreifliehen Mann" in einer Weise, die au: 
intimeren Gedankenaustausch sehliessen lässt. Dürer habe, sc 
berichtet er ziemlich übereinstimmend mit jenem Ausspruch Luther's 
sich dahin ausgelassen, dass er als Jüngling die bunten, farben- 
reichen Gemälde, die phantastischen und ungeheuerlichen Ge- 
stalten geliebt; in reiferen Jahren sei er davon abgekommen und 
habe die Natur als seine Lehrmeisterin erkannt, sehe nun aber, 
wie schwer sie zu erreichen sei".4) Auch spricht lllelanehthon 
selbst ein treffendes Urtheil über Dürer aus, wenn er sagt, die 
 2) Ebenda, 
in StrobePs 
 Luther's sämmtliche Werke. Erlanger Ausg. 63. 391 fg.  
62, 348.  3) Ebenda, 62, 338.  1') Melanchthon Epist. passim 
Miscellaneen (Nürnberg 1781) VI. 210 fg.
	        
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