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Buch.
III.
Deutschland.
Renaissance in
farbige Gemälde, die freilich zum Theil zerstört sind, ein heiteres-
Gepräge. Die Gegenstände scheinen dem alten Testamente an-
gehört zu haben, während am Erker Gestalten von Tugenden
angebracht sind. Am unteren Friese liest man die Jahrzahl 1577,
der Bau selbst stammt aus früherer Zeit, Wie die Jahrzahl 1538
an der Erkerwand beweist-
Eine zweite Facade haben wir in Figur 46 auf S. 182 ge-
geben. Sie gehört der späteren Zeit des Jahrhunderts an, ist in
der Mitte mit einem prächtigen Erker geschmückt, der an allen
Flächen mit einem fein behandelten Ornament bedeckt ist, welches
gepresste Lederverzierungen nachahmt. Der hohe mit Voluten
dekorirte Giebel vollendet das charakteristisch deutsche Gepräge
dieser Fagade. Sie trägt die Jahrzahl 1600. Bemerkenswerth ist
wieder für diese Spätzeit, dass das Geländer, welches den Erker
krönt, noch die Formen gothischen Maasswerks zeigt. Noch eine
andere ähnliche Fagade hat sich in Colmar erhalten, wie denn
überhaupt die Stadt Martin Schön's mehr als eine andere im
Elsass das Bild einer alten deutschen Stadt bewahrt hat.
An Originalität und Schönheit übertrifft indess alle andern
Bauten ein der Südseite der Martinskirehe gegenüber liegendes
Haus, an dessen kleinem, noch gothisirendem Seitenpförtchen
man die Jahrzahl 1575 liest. Den Glanzpunkt der sonst ein-
fachen Facade (Fig. 71) bildet jedoch das Hauptportal mit seinen
cannelirten dorischen Säulen und dem darüber sich breit ent-
wickelnden balconartigen Erker. Di_e originelle Grundform des-
selben, der prächtige Schmuck von korinthischen Säulen und
schön gearbeiteten Masken verleihen ihm einen hohen Werth.
Der untere Fries besteht ebenfalls aus Masken, die von auf-
gerollten Cartouchen eingerahmt sind. Das Figürliche ist hier
durchweg mit grossem Geschick behandelt.
Unter-Elsass.
In keiner Provinz Deutschlands zeigt sich während des
15. und 16. Jahrhunderts eine grössere Kraft und Fülle des
geistigen Lebens als im unteren Elsassß) Schon 1450 wurde in
Schletstadt durch Ludwig Dringenberg eine gelehrte Schule er-
öffnet, aus welcher eine Anzahl tüchtiger Humanisten hervorging.
Bald darauf gründete auch Strassburg seine Schule und wurde
für lange Zeit der Mittelpunkt eines regen gelehrten Treibens.
i) Ueber das geistige Leben des Elsasses in dieser Epoche vgl. StrobePs
vaterl. Geseh. des Elsasses III, 440 ff. 515 H. IV, 122 ff. 247 ff.