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III.
Buch.
Renaissance in
De1
ltschland.
Eins der stattliehsten Denkmäler ist das Rathhaus zu Mühl-
hausen. Die Stadt schwang sich schon im 13. Jahrhundert zu
selbständig-er Bedeutung auf und wurde 1273 von Kaiser Rudolph
von Habsburg zur freien Reichsstadt erhoben. In den Fehden des
15. Jahrhunderts mit dem raublustigen Adel schloss sie sich den
benachbarten Schweizer Kantonen an und wusste längere Zeit in
den Kämpfen des Reichs gegen Frankreich ihre Neutralität zu
behaupten. Ein 1431 nach dem Muster des Baseler Zunfthauses
zum Saffran errichtetes Rathhaus wurde 1551 durch Brand zer-
stört, aber schon im folgenden Jahre wurde auf derselben Stelle
das noch jetzt bestehende Gebäude, wahrscheinlich mit umfang-
licher Benutzung der alten Grundmauern neu errichtet. 1). Man
liest an der Facade die Jahrzahl 1552. Der Bau, von welchem
wir in Fig. 70 nach einer vorzüglichen Photographie Braun's eine
Abbildung beifügen, wendet seine Langseite mit dem hohen, durch
glasirte Ziegel geschmückten Dache: dem Marktplatze zu. Die un-
regelmässige Eintheilung, die Form und Gruppirung; der Fenster
erinnert wie die spitzbogigen Portale des Erdgeschosses an mittel-
alterliche Auffassung, und in dieser besondern Form an Bauten
des benachbarten Basel. Eine doppelte Freitreppe mit einem auf
Renaissancesäulen ruhenden Schutzdach führt zum Hauptgeschoss.
Die Unreg-elmassigkeiten der Facade, die an sich von geringer
architektonischer Bedeutung ist, werden in glücklicher Weise
durch vollständige Bemalung ausgeglichen, ja selbst zu künstle-
rischer Bedeutung erhoben. Die aufgemalten Quader des Erd-
geschosses geben eine ruhige Grundlage, die Fenster sind mit
gemalten Laubgewiuden, Giebeln und Voluten bekrönt und im
Hauptgeschoss durch eine ebenfalls gemalte Säulenstellung und
eine Balustrade scheinbar in eine tiefe Halle verlegt, welche an
beiden Ecken mit weiblichen Figuren belebt wird. Inschriften be-
zeichnen sie als Wachsamkeit und Vorsicht. Das obere Geschoss
hat zwischen den Fenstern Nischen mit den Gestalten der vier
Kardinaltugenden und der drei theologischen. Der Maler hat sich
wenig um die untere Eintheilung gekümmert, und doch ist die
Wirkung eine harmonische.
Der Urheber dieser Fresken war Meister Christian Iuck-
sicrßer aus Colmar, der laut dem noch vorhandenen Contrakt
vom 10. September 1552 nicht blos die beiden Giehelwände und
die vordere Facade zu malen, sondern auch die Rückwand der
grossen Stuben mit einer schönen Historie schmücken sollte, und
das alles wie es in der Urkunde heisst „uft' das trewlichest
Das Historische in N. Ehrsam, Yhötel de ville de Mulhouse.
Mulh.
1868.