Kap
Renaissance
Die
Geistes.
des deutschen
fassung des Lebens mit einem freien Humor sich verbinden.
Selbst den Volksdialekt weiss er schon mit Erfolg für einzelne
Personen charakteristisch zu verwerthen. S0 quillt aus tausend
Bächen ein reiches nationales Leben, das sich in einer Literatur
Voll originaler Triebkraft, wenn auch ohne die Eleganz und die
Formenanmuth des Südens, Bahn brichtl)
So unleugbar der Einfluss der Reformation auf die literarische,
Wissenschaftliche und dichterische Bewegung war, so hat man oft
ihr Auftreten als verderblich für die bildenden Künste bezeichnet.
Bei genauerem Untersuchen ergiebt sich jedoch bald, dass diese
Anschauung eine oberflächliche ist. Zwar der kirchlichen Kunst
that die neue Lehre zunächst erheblichen Abbruch, nicht bloss
Weil sie der Darstellung einen grossen Theil ihres Stoffgebietes
entzog, sondern weil sie grundsätzlich die Gottesverehrung ver-
lnnerlichen, den Kultus von äusseren Zeichen und Symbolen be-
freien wollte. Dass aber im Prinzip die reformatorische Geistes-
Tiehtung dem künstlerischen Schaffen auch auf religiösem Gebiet
nicht feindlich war, beweist vor Allen Albrecht Dürer, dessen
begeisterte Verehrung für den kühnen Reformator einen so
Schönen Ausdruck in der bekannten Stelle seines niederländi-
Sßhen Reisetagebuchs gefunden hatß) und der in seinen zahl-
Teichen biblischen Darstellungen, und nicht am wenigsten in den
Bildern aus dem Leben der Maria, dem religiösen Gefühl einen
ergreifenden und tiefgewaltigen Ausdruck zu geben wusste. Nicht
welliger bezeugen die Altarbilder, mit welchen Luther's Freund
Lllkas Granach die Stadtkirchen zu Wittenberg und zu Weimar
geschmückt hat, dass die Reformation einer bedeutsamen kirch-
llßhen Kunst nicht im Wege stand; denn diese grossartigen
Werke sind völlig im reformatorischen Geiste gedacht und aus-
geführt. Vergessen wir aber nicht, dass die ganze Kunst der
Renaissance in erster Linie eine profane ist, dass sie vor Allem
daS wirkliche Leben zu verschönern, zu verherrlichen sucht, und
dass sie, selbst wo sie kirchliche Stoffe zu Grunde legt, als
letztes Ziel doch stets die verklärte Menschengestalt, den Glanz
und die Schönheit des irdischen Lebens im Auge behält. Diese
Tlßndenz hat die Reformation nicht hervorgerufen; eher hat sie
dleselbe durch die Vertiefung des religiösen Lebens etwas ein-
Eine treffliche Charakteristik der deutschen Poesie jener Zeit in C.
GruneiSßIYS Niklas Mßnuel (Stuttgart 1837) S. 33-50. Vgl. auch in grösse-
mm Umfange das Einleitungskapitel zu C. Lemckeys Geschichte der deut-
selffm Dichtung. (Leipzig, 1871.) 2) Campefs Reliquien von Alb. Dürer.
(Nürnberg 1828) S. 121. n".