Kap
deutsche
Die
Schweiz.
Näfels
und Becken.
247
der Sitte des Landes entspricht, giebt ihm ein etwas schweres,
gedrucktes Verhältniss (Fig. 69); aber die energische Theilung
durch Pilaster und die lebendige, wenngleich etwas barocke Um-
rahmung der Fenster verleiht ihm das Gepräge einer kräftigen
originellen Erscheinung. Dazu kommen noch das weit vorspringende
Dach mit seinen verzierten Daeherkern und den reich behandel-
ten phantastischen Wasserspeiern sammt ihren eisernen Stützen,
um den malerischen Eindruck zu steigern. 1) Das Innere hat
starke moderne Umgestaltungen erfahren, die hauptsächlich den
Grossrathssaal betrafen. Doch sind die beiden prachtvollen ge-
malten Oefen, welche die Stadt Winterthur den Zürchern als
Zeichen freundnachbarlicher Gesinnung schenkten, jetzt im
Kappelerhof aufgestellt, noch erhalten. Ebenso befindet sich im
Regierungsrathssaal der dritte noch grössere Ofen, welcher zu
jenem reichen Geschenk gehörte. Von der gleichzeitigen opulen-
ten Ausstattung des Gebäudes zeugt sodann noch das Itrefflich
gearbeitete schmiedeiserne Gitter, welches den Treppenaufgang
schliesst.
Von den noch in manchen Hausern erhaltenen alten Oefen,
die einen so wichtigen Bestandtheil der Ausstattung eines Schweizer
Hauses bildeten, habe ich an anderem Orte ausführlich-Rechen-
schaft gegeben?)
Näfels
und Bocken.
Haben wir bis dahin im günstigen Falle nur einzelne Raume
angetroffen, welche den ursprünglichen Zustand der Ausschmück-
llllg unversehrt zeigen, so können wir nun zwei Beispiele voll-
ständig erhaltener Häuser der damaligen Zeit beibringen. Das
ßlne ist das jetzige Gemeindehaus zu N äfels, ein palastartiger
B311, 1646 von dem aus französischen Kriegsdiensten heimgekehr-
W11 Obersten Freuler errichtet, um, wie die Volksüberlieferung
will, den ihm zugedachten Besuch Ludwigs XIV würdig zu em-
pfangen. Der König sei nicht gekommen, der Bauherr aber
habe sich mit seinem Palastbau ruinirt, den jetzt die Ironie des
Schicksals theilweise zum Armenhaus deg-radirt hat. Das statt-
llßhe Gebäude macht sich schon von Weitem durch seinen hohen
Giebel bemerklich. Ein üppiges Barockportal leitet in ein ge-
WUnsere Abb. ist nach einem alten Stich, 1716 von Joh. Melchior
Fuesslin, angefertigt. 2) Vgl. meinen Aufsatz über die alten Oefen der
Schweiz in den Mitth. der Antiquar. Ges. in Zürich. Bd. XV. Heft 4 und
den erneuten Abdruck in meinen kunsthistor. Studien. S. 263 ff.