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Buch.
III.
Deutschland.
Renaissance in
Allgemeinin-
Th eil.
die Jurisprudenz schliesst sich daran, und selbst städtische Obrig
keiten fordern diese Studien, wie denn der Rath von Nürnber,
1528 Haloander für die Herausgabe der Pandekten ansehnlicf
unterstützt,1) der Magistrat von Augsburg 1548 eine Anzahl grie
chischer Manuscripte von Corfu um tausend Goldgulden ankauftß
Ganz neu wird auch die Medicin begründet, seit Vesal 1541
in Basel zum ersten Mal sein Werk über die Anatomie des mensch
lichen Körpers herausgiebt, Oonrad Gessner bald darauf in Züricl
seine Zoologie veröffentlicht. Ebenso bricht Georg Agricola i]
der Mineralkunde, Mercator durch seine Karten für die Erdkunde
Copernicus endlich und nach ihm Kepler auch für die Erforschung
des Weltalls eine neue Bahn. In der ganzen Welt erreicht schox
damals die deutsche Wissenschaft hohen Ruhm, also dass, wie
Stumpif in seiner Schweizer Chronik sagtß), „die Teutschen mi
hochgelehrten Leuten andere Nationen übertrafen." Nur de]
grossen That der Reformation verdanken wir eine moderne
Wissenschaft, verdanken wir die Vertiefung des geistigen, die
Läuterung des sittlichen Lebens. Wohin dagegen die romanischer
Völker durch ihr Ablehnen der reformatorischen Bewegung ge
kommen sind, das tritt heute mehr als je zu Tage.
Aber neben der wissenschaftlichen Literatur erwacht eine
volksthümliche Dichtung, die in der durch Luther's Bibelüber-
setzung kraftvoll ausgebildeten Muttersprache ihren Ausdruck
findet. Nicht bloss das Kirchenlied, von dem grossen Refor-
mator und seinen Nachfolgern mit Eifer gepflegt, dringt er-
quickend in alle Kreise des Lebens; nicht bloss die Volksdichtung
ergiesst sich mit breitem Strom in unzähligen Liedern, oft derb,
ja roh im Ausdruck, aber voll gesunder, urwüchsiger Kraft:
auch die dramatische Poesie nimmt einen frischen Anlauf und
weiss ihren körnigen Inhalt in freiem Zuge zu gestalten. An
der Schwelle der Epoche steht der treuherzige Hans Sachs mit
seinen zu wenig gekannten und gewürdigten Werken, in denen
die deutsche Volksnatur mit unerschöpfiicher Fülle sich offenbart.
Den Abschluss der Periode bildet Herzog Heinrich Juliug von
Braunschweig, einer der trefflichsten Fürsten der Zeit, mit
seinen Schauspielenß) in denen offner Blick und frische Auf-
1) Ranke, deutsche Gesch. V. 369, wo die wissenschaftliche Bewegung
eingehender geschildert wird. 2) Des Grafen Wolrad von Waldeck Tage-
buch während des Reichstags zu Augsburg 1548, herausg. von Tross.
(Bibl. des lit. Ver. LIX.) S. 129. 3) Schweizer Chronik von 1548. Bd. 1.,
B1. 23. 4) Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig,
herausg. von Holland. (Bibl. des lit. Ver. XXXVI.)