218
Buch.
III.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Theil.
bogig, zum Theil sogar mit durchschneidenden gothischen Ein-
fassungsstäben ist, deren Umrahmung aber aus Renaissancesäulen
mit entsprechendem Gebälk, Pilastern und reliefgeschmückten
Attiken besteht. Ein vollkommenes System von Bogenhallen, mit
allen Elementen der drei antiken Ordnungen umkleidet, umzieht
das Innere der Universitätskirche in Würzburg. Wie sich an
der Kapelle zu Liebenstein Gothik und Renaissance mischen,
zeigt die Abbildung der Facade in Fig. 97.
Der Thurmbau dieser Zeit trägt dieselben Spuren von Stil-
mischung wie alles Uebrige. Das früheste Beispiel vom Auftreten
der Renaissance zeigt der Thurm der Kilianskirche in Heilbronn,
überhaupt eins der ersten Bauwerke der Renaissance in Deutsch-
land (Fig. 9b in Kapitel IX). Der achteckige Aufbau, der sich
in mehreren Stockwerken pyramidal verjüngt, enthält in der Com-
position und den Detailformen einen interessanten Beweis von
der künstlerischen Gährung, die mit den noch unverstandenen
Einzelheiten des neuen Stils gothische, ja selbst romanische Ele-
mente zu mischen sucht. Aehnliches, aber feiner und geistreicher
am Sebaldusgrabe Peter Vischefs. In Freudenstadt sind die
beiden Thürme der Kirche noch mittelalterlich angelegt, und
selbst der Uebergang aus dem Viereck ins Achteck bietet kein
neues Element. Auch die Galerie, welche diesen Thcil abschliesst,
besteht aus gothischen Maasswerken. Dagegen gehört der obere
Aufsatz mit seinem Kuppeldach und der darüber aufsteigenden
Laterne zu den charakteristischen Formen, welche der neue Stil
in Nachahmung der italienischen Kuppelbauten beiden meisten
Thürmen der Zeit, kirchlichen wie profanen, einführt. Eine Aus-
nahme ist es fortan, wenn statt dessen eine schlanke Spitze noch
auftritt, wie sie mit elastischer Einziehung sich an der Kirche
zu Cannstadt findet (Fig. 62). Eine der besten Schöpfungen
des Thurmbaues hat die deutsche Renaissance an der Universitäts-
kirche zu Würzburg aufzuweisen (Kap. X). Nur die Rose über
dem Portal und das hohe Rundbogenfenster zeigen gothisches
Maasswerk; alles Andere hat den energisch und klar entwickelten
Renaissancestil, der sich hier in schönen Verhältnissen darstellt.
Damit steht das gesammte "Aeussere der Kirche in Ueberein-
stimmung, denn an den Langseiten sind die Strebepfeiler zu ge-
waltigen dorischen Pilastern umgebildet, während die übrigen
Kirchen den mittelalterlichen Strebepfeiler unverändert zeigen.
In Würzburg hat offenbar ein genialer Architekt beide Stile mit
hoher Freiheit für seine Zwecke verwerthet. Der vollständige
Bruch mit dem Mittelalter vollzieht sich dann an der Michaels-
hofkirche in München, welche seit 1583 für die Jesuiten erbaut