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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Theil.
Weltkundiger Mann wie Michel de Montaigne 1) war davon ent-
zückt. Einen prächtigen Garten besass auch der Konsul Gerbrodß)
mit Fischteichen, gewundenen Spazierwegen, Springbrunnen,
Weinspalieren und Obstbäumen nebst ausgemalten Gartenhäuschen.
Auch Jacob Adler und Veit Wittich unterhielten schmuckreiche
Gärten. 3) Vom Lustgarten zu Stuttgart weiss ein Zeitgenosseli)
zu rühmen, dass selbst die Königin von England keinen ähn-
lichen habe. Die Gärten der Residenz zu München, sowie der
Schlösser zu Nymphenburg, Fürstenried und Schleissheim, aller-
dings grossentheils schon späteren Ursprungs, hat Matthäus Disel
in seiner "Erlustierender Augen-Weyde" herausgegeben. 5) Auch
Joseph Furttenbach bringt in seiner ,.Architectura recreationis"
nicht bloss Darstellungen von bürgerlichen Wohnhäusern und
Palästen, sondern auch Anlagen von Lustgarten neben Theater-
scenen u. dglß) Alle diese steifen Anlagen erhalten erst ihre
volle Bedeutung, wenn wir sie im Geiste mit den immer gravi-
tätischer werdenden Menschen der damaligen Zeit in dem schweren
Pomp ihrer Erscheinung, ihrer Tracht und ihres Gebahrens be-
völkern.
Bis jetzt haben wir ausschliesslich uns mit Profanbauten be-
schäftigt und den Kirchenbau unbeachtet gelassen. In der
That wiegt derselbe in der deutschen Renaissance nicht schwer,
und zwar nicht bloss an künstlerischem Werthe der einzelnen
Leistungen, sondern auch überhaupt an Zahl der ausgeführten
Werke. Nur in Italien hat die Renaissance alle baulichen Unter-
nehmungen mit neuem Geiste durchdrungen, und 'wenn ihr
Kirchenbau nicht ganz auf der Höhe der Profanarchitektur steht,
so kommt er ihr doch an Fülle, Mannigfaltigkeit und Schönheit
der Werke sehr nahe. In Deutschland dagegen herrscht ein
ähnliches Verhältniss der Renaissance zum Kirchenbau wie in
Frankreich. Wie dort bleibt man auch hier bis tief ins 16. Jahr-
hundert der Gothik im Kirchenbau treu. Die religiösen Wirren
der Zeit liessen es sodann bei uns noch weniger als in Frank-
reich zu neuen kirchlichen Bauten kommen. Erst in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts dringen allmählich die Formen des
neuen Stiles in den Kirchenbau ein. Doch kommen die mittel-
1) M. de Montaigne, Journal de voyage I. p. 98. 2) Des Grafen von
Waldeck Tagebuch. p. 49. 3) Ebenda p. 103. 172. 181. 4) Joh. Jac.
Breuningyon Buchenbach, Reisen, p. 35. 5) Erlustierender Augen-
Weyde- -Zweyte Fortsatz, vorstellend die Weltberühmte churfürstliche
Residenz in München, gezeich. v. Blatthäus Disel, Ch. F. Garten-Ingenieur,
bey Jerem. Wolff in Augspurg. 6) Josephus Furttenbach, architectura
recreationis. Augsb. 1640.