III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner Theil.
durch die Reformation, sondern durch die stupide Starrheit der
Habsburger, welche sich dem tiefsten Herzensbedürfniss der Nation
entgegenstemmte, sich zum Schergen der römischen Hierarchie
erniedrigte und in der Folge durch blutige Gewaltmassregeln
in den österreichischen Landen die religiöse Bewegung erstickte.
Die Folge dieser Verhältnisse war des Reiches fortdauernde
Unsicherheit im Innern, zunehmende Ohnmacht nach Aussen.
Damals begann jene Reihenfolge schmerzlicher Beraubungen, für
welche es erst in unseren Tagen dem deutschen Schwerte gelang,
die späte Sühne zu bringen. Wenn wir heute aus gehobener
Seele auf jene Jahrhunderte schmachvoller Schwäche zurück-
blicken, so können wir im Bewusstsein der endlich gewonnenen
Einheit und Macht mit ruhigerem Gemüthe auch der Segnungen
gedenken, welche trotz des immer tieferen Verfalles Gesammt-
deutschlands doch auch jene Zeit gerade durch die Reformation
und die Hand in Hand mit ihr entwickelte Fürstengewalt erfuhr.
Die Pflege der geistigen Interessen, von den habsburgischen
Kaisern preisgegeben, fand ihre Zuflucht in den zahlreichen klei-
neren Mittelpunkten der Einzelterritorien, sowohl in den Residenzen
der Fürsten als in den noch immer durch Handel und Gewerbe
blühenden Reichsstädten. Die Fürstenmacht hat in Deutschland
die geistige Bewegung nicht hervorgerufen, auch nicht geleitet:
aber sie hat zum grössten Theile sie richtig gewürdigt und sie
dann auch eifrig gefördert.
Schon an Sicherheit und Ruhe gewann der innere Zustand
Deutschlands durch Ausbildung der Territorialgewalt in den ein-
zelnen Ländern. Allerdings war die erste Hälfte des I6. Jahr-
hunderts noch erfüllt von verheerenden Kämpfen. Nicht bloss
der Bauernkrieg mit seinem furchtbaren Elend und seiner ent-
setzlichen Unterdrückung, auch die Gegensätze zwischen den An-
hängern der neuen Lehre und dem Kaiser, die sich ebenfalls
erst auf dem Schlachtfelde messen sollten, hemmten für längere
Zeit die stetige Entfaltung friedlicher Kultur. Welche Geissel
aber die mit äusserster Roheit geführten Kriege waren, welche
bösartige Brutalitäten besonders durch die spanischen Truppen
KarPs V verübt wurden, davon wimmelt es an Zeugnissen in den
Annalen jener Zeit. Wir wollen nur an die unbefangenen Schil-
derungen Sastrow's erinnern, deren kühler Ton uns beweist, wie
man damals das Ungeheuerlichste fast als selbstverständlich be-
trachtete. 1) Erst nach dem Schmalkaldischen Kriege und mit
I) Bartholomäi Sastrowen Herkommßn, Geburt und Lauf seines ganzen
Lebens, herausg. v. Mohnike. (Greifswalde, 1823. 3 Bde.) II. 14, 32, 33, 34 etc.