Kap-
Renaissance
Die
deutschen
des
Geistes.
land durch die rücksichtslose Energie des ersten Tudor zu einer
ähnlichen Umwandlung gelangt, muss Deutschland Jahrhunderte
hindurch vergeblich sich mit der Aufgabe staatlicher Einheit ab-
mühen. Schon im Ausgange des Mittelalters war die Macht der
Vasallen dem Kaiserthum so hoch über den Kopf gewachsen,
dass ein Niederbeugen derselben unter die Reichsgewalt kaum
noch möglich erschien. Seit das Scepter in die Hände der Habs-
burger gelangte, mussten die centrifugalen Tendenzen sich nur
noch steigern. Denn mit den Habsburgern kam ein Herrscherhaus
auf den Thron, dessen höchstes Streben war, seine Hausmacht
zu vergrössem; da aber der überwiegende Theil seiner Besitz-
ungen ausserdeutsch war, so trennte eine immer breitere Kluft das
Sinnen und Denken der Kaiser vom Leben und den Bedürfnissen
der Nation. Die auswärtigen Verhältnisse liessen die 'l'räger der
deutschen Krone nicht zur Ruhe kommen, und je weniger sie des
höchsten Amtes walteten, um so kräftiger erhob und befestigte
sich die territoriale Macht der einzelnen Reichsfiirsten bis zu
völliger Unabhängigkeit. So kam es, dass der nomadisirende
Charakter des deutschen Kaiserthumes, der im Mittelalter durch
die wechselnde Wahl verschiedener Geschlechter bedingt war,
auch jetzt noch nicht aufhörte, obwohl die Thronfolge beim Hause
Oesterreich blieb. Dass aber solche Zustände nicht dazu ange-
than waren, eine folgenreiehe Förderung der Interessen höherer
Kultur zu begünstigen, liegt klar zu Tage. Kein Wunder daher.
dass der habsburgischc Hcrrscherstamm zwar viel für Deutsch-
lands geistige Knechtung, wenig, fast nichts dagegen für die
Pflege seiner höchsten Interessen in Wissenschaft und Kunst ge-
than hat.
Noch ein Anderes kam hinzu. Als das tief empörte deutsche
Gemiith sich von dem schnöden Spiel, das von Rom aus mit dem
Heiligsten getrieben wurde, loszusagen begann, da hätte ein
deutsch gesinnter Kaiser die ganze Fluth dieses Stromes zu-
sammenfassen, in ein breites nationales Bett leiten und der deut-
schen Nation die Freiheit von Rom und die Einheit der religiö-
sen Anschauung im Schoosse einer allgemeinen deutschen National-
kirche geben können. Der spanisch erzogene Karl V, der vom
deutschen Wesen nichts verstand, nicht einmal die Sprache, war
nicht der Mann für solche Aufgabe. So wurde durch die feind-
liche Stellung, welche das Kaiserthum gegen die religiöse Be-
wegung einnahm und behauptete, die Selbständigkeit der Fürsten
erhöht, dßllll ill dem Maasse, in welchem sie die Reformation
förderten, kräftigten sie die eigene Macht. So kam Deutschland
zum Dualismus, zur Zerrissenheit, nicht wie man wohl behauptet,