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Gesammtbild der deutschen Renaissance.
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mit nachgeahmten Metallbeschlägen. Aber die solide Construc-
tien und ein Ausdruck von derber Gediegenheit und üppiger
Kraft verleihen diesen Werken doch einen Reiz. Als Beispiel
geben wir die hintere Facade vom Zeughaus zu Danzig (Fig. 50).
Ungleich grössere Ausdehnung hat eine dritte Art architek-
tonischer Behandlung, welche in hervorragender Weise einen
deutschen Charakter tragt: die Verwendung der Holzconstruction,
und zwar in Verbindung mit dem Stein, im Faßhwerkbßll- Die
Vorliebe für Verwerthung des: Holzes zu künstlerischen Arbeiten
Steckt tief im deutschen Volksgeist. In der Plastik zeugen dafür
die zahlreichen Schnitzwerke an Altaren und anderen Stellen; in
der Architektur beherrscht der Fachwerkbau fast alle Gebiete
Deutschlands und hat sich niemals von dem vornehmen Stcinbau
ganz verdrängen lassen. Wiesehr der Holzhau von Haus aus
deutsch, der Steinbau römisch ist, bezeugt schon die Sprache,
Wvelche für Bauen ursprünglich nur "Zimmern" kennt, während
die Worte Mauer, Kalk, Mörtel, Ziegel, Pflaster sämmtlich latei-
nischen Ursprungs sind. Die Gegenden, in welchen diese ur-
deutsche Bauweise ihre reichste und glanzendste Blüthe erlebt
hat, sind im nördlichen Deutschland die Gebiete des Harzes und
seiner Abdaehungen. In Städten wie Braunschweig, Hildesheim,
Goslar u. a. sind noch jetzt zahlreiche Beispiele vorhanden!)
Die Herrschaft des gothischen Stils ist an diesen naiven Schöpf-
llngen des Volksgeistes zwar nicht unbemerkt vorüber-gegangen;
aber erst während der Renaissance-Epoche erfährt der Holzhau
seine reichste Ausbildung. Bisweilen geht die Aneignung der
RGIIaiSSanQefQI-men sogar zu weit, so dass der Holzhau nicht
selten zu einer unberechtigten Nachahmung des Steinbaues wird.
Eins der merkwürdigsten Beispiele vollständiger Uebersetzung
des Steinstils mit seiner ganzen Ornamentik in den Holzhau bietet
die Facade eines Wohnhauses zu Frankfurt ajM., welche wir
ini X Kapitel bringen, und die bis zur völligen Verleugnung der
Construction geht. Nur an den vorgekragten Geschossen erkennt
luan den Holzhau. Im stricten Gegensatze dazu steht die Mehr-
zahl der Holzbauten Norddeutschlands, des Rheingebiets und des
deutschen Südwestens. Die Elemente der Faehwerkconstrllßilßll
Werden oft in einer geradezu naiven Weise zur Geltung gebraßhtv
wie an dem Hause zu Eppingen?) bei Heilbronn vom Jahre 1582,
Welches nur an den Eckeonsolen und dem mittleren Hauptständer
i) Vgl. die schöne Publication von C. Bötticher: die Holzarchitek"
im" des Mittelalters. Berlin. fol. Q) Die Zeichnung ist mir durch die
Güte des Herrn Malers Weysser in Carlsruhe mitgetheilt.
Kugler, Gesch. d. Baukunst. V. 13