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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Form, welche das Mittelalter ihm gegeben hatte, wird er mit
Voluten, hornaitigen Schweifen und anderen phantastischen For-
men umkleidet, wobei namentlich wieder die Nachahmung von
Metallbeschlägen eine grosse Rolle spielt. Die Giebelwand wird
in der Regel duch Pilasterstellungen gegliedert und durch kräf-
tige Gesimse in mehrere Geschosse getheilt. Auf die vorsprin-
genden Ecken werden, in freier Umbildung gothischer Fialen,
Obelisken, aber auch wohl Kugeln, gestellt. Ein ausgebildetes
Beispiel von einem Privathaus zu Nürnberg in Figur 47. In
andern Fällen, wo die Anordnung der Fenster keine weitere
Theilung; gestattete, wird der Giebel wenigstens durch Pilaster
eingerahmt. So an dem Katharinenspital zu Heilbronn (Fig. 96).
Den oberen Abschluss bildet entweder Volutenwerk mit krönen-
dem Obelisk, oder wie an dem Nürnberger Hause ein durch-
brochener Giebelaufsatz. Die Mannigfaltigkeit in der Ausbildung
dieser Giebel, die sichtlich das Lieblingsstück der damaligen
Architekten waren und aus dem bürgerlichen Wohnhause des
Mittelalters mit in die Renaissance hinüber-genommen wurden,
ist überaus gross. Beispiele geben wir unter Anderm in Privat-
hausern von Colmar (Figz 46), Cannstadt (Fig. 94), dem Peller-
haus zu Nürnberg (Kap. X), dem Rathhaus zu Gernsbach
(Fig. 75), dem Lusthaus zu Stuttgart (Fig. Zu den statt-
lichsten Faeaden dieser Art gehören das Haus zum Ritter in
Heidelberg, das sogenannte Rattenfängerhaus und das Hochzeit-
haus zu Hameln, das Leibnitzhaus zu Hannover, das Gewand-
haus zu Braunschweig u. a. m. Ein Prachtbeispiel bietet So-
dann noch der Friedrichsbau zu Heidelberg (Fig. 48), wo der im
Giebel in französischer Weise dem abgewalmten Dachevorgesetzt
ist. Im Uebrigen begegnet uns diese Anordnung in Deutschland
selten; wo sie auftritt, ist es meist eine Nachwirkung mittel-
alterlicher Sitte. Nirgends kommt sie aber hier zu dem aus-
schweifenden Gebrauch wie in Frankreich, WO oft die Architektur
erst über dem Kranzgesimse beginnt, und die Bauten im Ueber-
maass mit einem Walde phantastischer Dacherker, Lucarnen, -
Kamine u. s. w. gespickt werden.
Wo in andern Fallen ein Gebäude nicht seinen Giebel, son-
dern die Langseite der Strasse zuwendet, da werden nur aus-
nahmsweise wie am Rathhaus und dem Fürstenhaus zu Leipzig
solche kleinere Giebel aufgesetzt; die Regel ist vielmehr auch
hier, das Dach unmaskirt zu zeigen, und es etwa durch bunt-
glasirte Ziegel zu deeoriren, Wie am Rathhaus zd Mühlhausen
(Fig-öß). Die Kranzgesimse bleiben auch in solchen Fallen
meistens einfach, und die deutsche Renaissance hat nirgends so