Gesammtbild der
deutschen Renaissance.
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Residenz in Landshut, welche zwischen 1536 und1543 ausge-
führt ist, als rein italienische Schöpfung bezeichnen.
Mit Macht beginnt sodann etwa seit der Mitte des Jahrhun-
derts die Renaissance sich aller Orten in Deutschland auszu-
breiten. Seit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) begann
das Reich sich zu beruhigen. Die Wirren waren beigelegt, und
mit Ausnahme der Execution gegen Johann Friedrich den Mitt-
leren (1567) und des Kölnischen Krieges Wegen Gebhard Truch-
sess (1584) erfreute sich das Land einer Ruhe, die erst durch
den Ausbruch des dreissigjährigen Krieges ein Ende fand. In
diesen sechzig Jahren eines fast ununterbrochenen Friedens, wo
Handel und Verkehr blühte, ein neues geistiges Leben sich überall
regte, entwickelte sich nun die deutsche Renaissance in ihrer
ganzen Fülle und originalen Kraft. Hatte Deutschland einen
dominirenden Königshof besessen wie Frankreich, so würde der
Gang seiner Renaissance ebenso einfach übersichtlich sein wie
dort. In der französischen Renaissance gliedern sich die Epochen
nach den Rcgierungszeiten der einzelnen Könige, und wir haben
unserer Darstellung diese einfache historische Gliederung zu
Grunde gelegt. In Deutschland ist die Bewegung eine viel man-
nigfaltigere, complicirtcre. Aus tausend verborgenen Quellen
ringt sie sich ans Licht; oft ist kaum nachzuspüren, aus welchen
geheimen Kanälen dieselben ihre Nahrung erhalten. Aber mit
einem Male brechen sie überall mit Lenzesgewalt aus dem starren
Erdreich hervor, suchen sich ihren Weg, vereinigen sich auch
wohl hie und da zu einem grösseren Fluss, geben aber nirgends
ihre individuelle Selbständigkeit soweit auf, dass sie in das Bett
eines einzigen, alles beherrschenden Stromes zusammenflössen.
Die geistige Configuration des deutschen Culturlebens besteht
vielmehr auch jetzt aus einer Anzahl gesonderter provinzieller
Gebiete, die fast bis zum Eigensinn ihre Originalität und Selb-
standigkeit behaupten. Deshalb müssen wir an die Stelle der
historischen hier die topographische Schilderung treten lassen.
Von einer stetig fortschreitenden historischen Entwicklung
ist in der That bei der deutschen Renaissance wenig Zll Spüren.
Doch lassen sich etwa drei verschiedene Stadien in der
Nüancirung des Stiles unterscheiden. Die erste Epoche uni-
fasst die frühesten Versuche, die neue Bauweise auf deutschem
Boden einzubürgern. Soweit dieselben ausschliesslich ins Gebiet
der zeichnenden Künste fallen, haben wir ihrer im zweiten Kapitel
gedacht. Für die architektonische Betrachtung bleiben dann nur
die wenigen Denkmäler übrig, welche etwa zwischen 1520 und
1550 entstanden sind. Der Charakter derselben fusst auf einer