ist es die Perspective, welche sich einer stets erneuten Behand-
lung erfreut, ohne dass, jedoch wesentlich neue Gesichtspunkte
dabei hervortreten. Arbeiten, wie die von Erhard Schön, Jllirsclt-
vogel, Stoer, Jamnitzer, Lmcker und andern 1) können wir für
unsern Zweck daher übergehen. Auch was über die der ganzen
Zeit sehr am Herzen liegende Befestigungskunst erschienen ist,
wie z. B. Daniel Specklds (Speeklin) Architectura von Festungen
(Strassburg 1589), dem Herzog Julius von Braunschweig gewid-
met, dürfen wir füglich bei Seite lassen. Ebenso sind die ana-
tomischen Werke, unter welchen wohl das Wichtigste die Anatomie
VesaPs, 1551 in Nürnberg in deutscher Uebertragung von Johann
Baumann herausgegeben, für unsern Gesichtspunkt von minderer
Bedeutung. Wichtiger sind für uns die architektonischen Lehr-
bücher, welche namentlich gegen Ausgang des Jahrhunderts den
Einfluss einer gesteigerten Baulust erkennen lassen. Wie eine
Zeitlang die kunstreichen Meister neben dem neuen Stil noch die
gothische Bauweise pilegten, erkennt man z. B. an zwei Hand-
zeichnungen Augustin Hirschvogefs im k. Kupferstichkabinet zu
Dresden, die wohl für eine Fortsetzung seiner Perspective be-
stimmt waren. Die eine gewährt einen Blick in eine fünfschiftige
gothische Hallenkirche mit Kapellenreihen und einer Kuppel über
dem Querschiff. Das andere Blatt enthält eine Lösung ungefähr
derselben Aufgabe in den Formen einer durchgebildeten Renais-
sance: ein prachtvoller dreischifliger Pfeilerbau mit Kapellenreihen
und einer Kuppel auf dem Kreuzschiif, im Langhaus reich deco-
rirte Kreuzgewölbe, in den Kapellen kassettirte Tonnen. Seine
Gewandtheit in den Formen des neuen Stils hat derselbe Meister
ausserdem in den bekannten Stichen für Goldschmiede genügsam
bewährt. Sie enthalten auf 16 Blättern eine reiche Auswahl von
Arabesken, Masken, Satyrn und anderen phantastischen antiken
Gebilden, dazu Dreifüsse, Dolchscheiden und Degengriife.
In der späteren Zeit des Jahrhunderts nehmen die architek-
tonischen Lehrbücher überwiegend den Charakter eines aus-
schweifenden Barockstils an. Immer aber wissen die Herausgeber
sich dabei viel mit der Lehre Vitruv's, welche sie noch in ihren
tollsten Phantasiegebilden treu. zu befolgen glauben. Dieser Art
ist- die „Architectura, nach antiquitätischer Lehr und geometri-
scher Austheilung gedruckt zu Cöllen, durch Johann Büchsenmacher,
l) Erh. Schön, Unterweisung der Proportion und Stellung der Bossen.
Nürnberg 1542. Hirschvogel, Geometrie, ebend. 1543. Lorenz Stoer,
Perspective, ebend. 1567. Jamnitzer, Perspective, ebend. 1568. Hans
Lencker, Perspective, ebend. 1571.