Kap-
Die Theoretiker.
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wunderlicher Weise mit grossen Spitzbogenfenstern. Noch aus-
giebiger spricht sich die Vorliebe für Kuppelbauten in einer
grossen Darstellung eines Hafenplatzes (CXCIa) aus, wo nicht
blos das Kastell mit seinen fünf Thürmen, sondern auch der
Tempel des Merkur und selbst die beiden 'Wartthürme am Ein-
gange des Hafens mit Kuppeln bedeckt sind. Auch dies im
Wesentlichen nach Cesariano. Endlich zeigen sogar die phan-
tastischen Figuren, in welche die Zierbäume der Garten verwan-
delt sind (CCXXXIIa), den Einfluss der italienischen Kunst, denn
hier sind die Abbildungen, wenn auch zum Theil in veränderter
G-ruppirung, die Nachahmung von mehreren Holzschnitten der
Hypnerotomachia.
Dieselben Anschauungen begegnen uns in dem zweiten um-
fangreichen Werke, welches der gelehrte und schreibselige Arzt
ein Jahr vorher erscheinen liess, der „Neuen Perspective". ES
enthält so ziemlich eine vollständige Kunstlehre für die damalige
Zeit, wobei er sich wie gesagt wieder auf die Italiener, beson-
ders .auf Leo Battista Alberti stützt. Das erste Buch handelt
speciell von der Perspective oder, wie der Verfasser sich aus-
drückt, „vom rechten, gewissen geometrischen Grund und geo-
metrischer Messung". Ein grosser Theil der Figuren, besonders der
architektonischen Darstellungen ist uns aus dem Vitruv bekannt, so
die Details der Säulen, der Mailänder Dom, die antiken Atrien
u. s. w. Er beginnt im Text mit der Definition des Punktes
(Bl- 1), der „das allerkleinest, reinest und subtilest Stüpfflein oder
Gemerk ist, so man im Sinn verstehen oder merken mag". Ueber-
all kommt er auf die „wunderbarliche Art, Eygensßhaßt und
Gerechtigkeit des Cirkels" zurück (B1. XVIII) und giebt z.
höchst umständlich Anleitung, wie man mit einer Unmasse von
geometrischen Linien aus einem Ei einen antiken Pokal machen
könne, wie es „selbst vom weitberümpten kunstreichen Albrecht
Dürer nicht angezeigt worden". Sodann bringt er noch mehr
Beispiele, Solche Gefasse mit unzählig vielen Zirkelschlägen zu
Zeichnen, fügt indess (Bl. XIXb) hinzu: „wolltestu aber Solche
GefeSS VaSt nieder-trächtig und bauchetcr machen, mßäßtu die
Proportz solcher Form aus dem Zirkel allein nehmen." In der
That geht er in diesen Dingen noch über Dürer hinaus, und es
ist ein bemerkenswerther Zug der Zeit, wie man (allerdings nach
römischem Vorgange) bemüht ist, gerade solche Formen, die aus
dem freien Zuge der Hand hervorgehen müssen, auf geome-
irische Formeln und Zirkelschläge zurückzuführen. Namentlich
111 Deutschland fiel man dabei immer wieder in jene geometri-
Sehen Spielereien zurück, welche die Maasswerke des gothischen
1er