Kap. IV.
Die Theoretiker.
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lnl Vergleich zu seinem Vorgänger erscheint, der einen unglaub-
llehen Ballast der unnützesten Gelehrsamkeit auskramt. Dagegen
Zelgt sich Rivius viel praktischer, wählt überall nach den Bedürf-
nissen seines besonderen Publikums aus und weiss sich der
Fassungsgabe des Laien anzubequemen. Wie massig mm auch
des selbständige Verdienst dieser Arbeiten ist, dennoch müssen
sie eine bedeutende Wirkung ausgeübt haben, denn mit ihnen
beginnt in Deutschland ein richtigeres Verständniss der Antike
und damit der Renaissance. Zum ersten Mal tritt hier an den
deutschen Architekten, der bis dahin ein schlichter mittelalter-
licher Steinmetz gewesen war, die Forderung einer allgemeineren
Bildung heran. Der Baumeister soll einen Eifer entwickeln „aus
elnbsiger Mühe, glcichwie die hetftigen Bulen von solchen Ge-
danken weder Rast noch Ruhe haben") Der Architekt müsse,
S0 heisst es in dem aus Würzburg vom 16. Februar 1548 datirten
Verwort, Latein, auch wohl Griechisch, womöglich dann andere
neuere Sprachen lernenß) "dieweil in keiner barbarischen fremb-
den Sprachen bisher weniger guter Schrift und Bücher denn in
der teutschen Sprach von neu erfundenen Künsten ausgangen
sindt, ausgenommen des weit berühmpten künstlichen Albrecht
Dürefs Bücher." Wie damals schon Dürer's Ruhm verbreitet
War, ersehen wir aus einer andern Stelle, wo von Apelles die
Rede ist, und der Verfasser fortfahrtß) „Aber was bedürfen wir
dieser Zeit die Bestetigung der Exempel mit der Kunst des
Apelles, dieweil wir ein solchen treiflichen künstlichen Maler
auch in Teutschland bei unserer Zeit gehabt, der on Zweiffel
als ich gentzlichen getrau dem Apelle in der Kunst überlegen,
dann welcher kunstreich Maler in dieser Zeit verwundert sich nicht
noch und grösslichen der Kunst Albrecht Dürefs? in allen Lan-
den und auch von fremder Nation in sonderheit hoch herümbt,
als dem der Preis der gantzen Kunst on alle Hindernus gegeben
wird." Sodann folgt die charakteristisch deutsche Anschauung,
dass Dürer dem Apelles weit überlegen gewesen sei, weil dieser
nZll seiner kunst ein behülff der farben haben müssen, Welellc
aber der Dürer, wiewohl er des Malens und Verteilung oder an-
legen der farben eben alsowohl bericht gewesen, doch in Seinen
kunststucken nit bedörift, dann er allein mit schwartzen Linien
und striehlein alles das so im furkommen 011 allen behilff der
farben dermassen lebhafft und künstlichen gerissen vnd gestochen
für augen gestelt, das solches also künstlicher vnd wo man es
Vitruvius
1548.
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