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III. Buch. Renaissance in Deutschland.
A. Allgemeiner Theil.
Illustrationen entlehnt: die vier kleinen Vignetten bei Rivius
Bl. VIIIb und IXa (Polif. P4 und Q4), das Bildchen mit dem
römischen Opfer Bl. OLVIIIa (Polif- Q4) und die Darstellungen
künstlich geformter Zierbäume Bl. COXXXIIa (Polif. T3, 5, 6).
Umfassender sind die Entlehnungen aus Cesariands Vitruv von
"1521. Rivius ist im Wesentlichen seinem Vorgänger überall ge-
folgt. Wenige von den Abbildungen der italienischen Ausgabe hat
er verschmäht; dagegen sind manche neue Figuren hinzuge-
kommen. Im Ganzen zähle ich 61 neue, 110 nach Cesariano
aufgenommene Illustrationen. Aber auch die letzteren sind wie
gesagt nicht schlechthin kopirt; sie zeig-en Aenderungen, die
meistens zugleich Verbesserungen sind; zwar nicht in sachlicher,
wohl aber in formeller Hinsicht. Durchweg steht nämlich der
Holzschnitt bei Rivius auf einer höheren Stufe der Ausbildung.
Bei Oesariano ahmt er die Unvollkommenheiten des frühen italie-
nischen Kupferstichs nach: besonders die dichten, fürden Holz-
schnitt zu dichten, monotonen, meist etwas starren Strichlagen.
Dazu kommen in der Regel schwarz gelassene Gründe, welche
oft. Unklarheit in die Darstellung bringen. Dagegen ist der Holz-
schnitt bei Rivius meisterhaft in der Technik, überall klar und
durchsichtig, obwohl mit Schatten und Licht volle Modellirung
der Gestalten Agewährend. Aber auch die Zeichnung ist bei
Rivius eleganter, vollendeter, wie man nicht blos da sieht, wo
Figürliches vorkommt, sondern auch in allem rein Ornamentalen.
So sind z. B. die mehrfach dargestellten Gefässe schöner in der
Form und feiner in. den Ornamenten als bei Cesariano. Die
freien figürlichen Compositionen, wie das goldene Zeitalter und
die Bauversuche der ersten Menschen stehen bei Rivius in jeder
Hinsicht über dem italienischen Vorbilde, welches er hier sogar
völlig verlassen hat. Die eigentlich architektonischen Vorlagen
sind mit grösster Treue nachgebildet, nur in den Darstellungs-
mitteln freier und reicher; dagegen weichen solche Illustrationen,
in welchen der Phantasie mehr Spielraum gegeben ist, manch-
mal in charakteristischer Weise von dem Vorbilde ab, und zwar
mehrfach so, dass man die inzwischen fortgeschrittene architek-
tonische Anschauung herausfühlt. Am bezeichnendsten in dieser
Hinsicht ist die Abbildung der Stadt Halikarnass mit dem Mau-
soleum, wo in der italienischen Ausgabe ein kleiner polygoner-
Tempel im Vordergrunde angebracht ist, an dessen Stelle Rivius
einen Rundbau ganz nach dem Muster von Bramantes Tem-
pietto setzt.
Grössere Abhängig-keit herrscht im Text, nur dass auch hier
Rivius bei all seiner Weitschweifigkeit doch kurz und bündig;