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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Theil.
Allgemeiner
besondere Verhältnisse und ist offenbar aus einer Erinnerung an
den Markusthurm zu Venedig hervorgegangen, nur dass er eine
parabolisclie Kuppel als Bekrönung trägt. Wie Dürer die geo-
metrischen Verhältnisse überall nachzuweisen und anzuwenden
bemüht war, sieht man sodann auf den folgenden Blättern, wo
er die Buchstaben, namentlich die Majuskeln des lateinischen
und die Minuskeln des deutschen Alphabets aus geometrischen
Figuren und Zirkelschlägen zu construiren sucht.
Die übrigen Theile von Dürer's Kunstlehre sind hier nicht
weiter zu verfolgen; dagegen ist es für unsern Zweck von Werth
zu untersuchen, welchen Gang die Kunsttheorie in Deutschland
nach Dürens Tode genommen hat. Schon in der Perspective,
welche der fürstlich Simmernsche Secretair Jlieronynzus Rodler
1531 unter dem Titel „Ein schön nützlich Büchlin und Under-
weisung der Kunst des Messens" herausgab, ist die Rücksicht
auf architektonisches Schaffen und die_Verwendung von Renais-
sanceformen überwiegend. In der Vorrede erklärt er seine Ab-
sicht, an Stelle der schwer verständlichen Dürefschen Bücher,
welche nur „für die, so eines grossen Verstands, vielleicht dien-
lieh", eine verständlichere Darstellung nschlechter und begreif-
licher" darzubieten. In der That geht er einfach praktisch zu
Werke und bringt eine Reihe von Beispielen, an welchen er die
perspectivische Erscheinung und Darstellung nachweist. So im
vierten Kapitel eine Halle mit vorgesetzten korinthisirenden
Säulen, worauf er dann die perspectivische Zeichnung der Säulen
und Fenster, der Gebälkdecke und des Fussbodens, letzteren
mit rautenförmigen und runden Fliesen behandelt. Weiter geht
er zu den Einzelheiten, den Gesimsen, Säulenfüssen und der-
gleichen über, um dann im neunten Kapitel die vollständige
Darstellung eines Wohnzimmers mit Tisch und Bank, Ofen,
"Tresur" u. s. w. zu bringen. Sind hierin die Elemente mittel-
alterlicher Kunst noch überwiegend, so zeigt die folgende Dar-
stellung an den schlanken Säulen des Betthimmels die Formen
der Renaissance. Auch in den folgenden Strassenprospecten
mischen sich gothische Elemente mit antikisirendem Detail. Von
sehr unbestimmter Renaissance sind die Säulen auf der präch-
tigen Kirchenhalle im zehnten Kapitel, wo Säulenreihen mit
antikem Gebälk, aber mit frei phantastischem Laubwerk sich vor
den Wänden hinziehen, die Bedeckung der Halle aus rundbogigen
aber gothisch profilirten Kreuzgewölben besteht, welche auf Con-
solen mit antikem Profil ruhen. Eine voll ausgebildete Renais-
sance zeigt sich dann in der folgenden zweischifiigen Halle mit
doppelten Kreuzgewölben, die keine mittelalterlichen Rippen