Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

138 
III. 
Buch. 
Renaissance in Deutschland. 
Theil. 
Allgemeiner 
besondere Verhältnisse und ist offenbar aus einer Erinnerung an 
den Markusthurm zu Venedig hervorgegangen, nur dass er eine 
parabolisclie Kuppel als Bekrönung trägt. Wie Dürer die geo- 
metrischen Verhältnisse überall nachzuweisen und anzuwenden 
bemüht war, sieht man sodann auf den folgenden Blättern, wo 
er die Buchstaben, namentlich die Majuskeln des lateinischen 
und die Minuskeln des deutschen Alphabets aus geometrischen 
Figuren und Zirkelschlägen zu construiren sucht. 
Die übrigen Theile von Dürer's Kunstlehre sind hier nicht 
weiter zu verfolgen; dagegen ist es für unsern Zweck von Werth 
zu untersuchen, welchen Gang die Kunsttheorie in Deutschland 
nach Dürens Tode genommen hat. Schon in der Perspective, 
welche der fürstlich Simmernsche Secretair Jlieronynzus Rodler 
1531 unter dem Titel „Ein schön nützlich Büchlin und Under- 
weisung der Kunst des Messens" herausgab, ist die Rücksicht 
auf architektonisches Schaffen und die_Verwendung von Renais- 
sanceformen überwiegend. In der Vorrede erklärt er seine Ab- 
sicht, an Stelle der schwer verständlichen Dürefschen Bücher, 
welche nur „für die, so eines grossen Verstands, vielleicht dien- 
lieh", eine verständlichere Darstellung nschlechter und begreif- 
licher" darzubieten. In der That geht er einfach praktisch zu 
Werke und bringt eine Reihe von Beispielen, an welchen er die 
perspectivische Erscheinung und Darstellung nachweist. So im 
vierten Kapitel eine Halle mit vorgesetzten korinthisirenden 
Säulen, worauf er dann die perspectivische Zeichnung der Säulen 
und Fenster, der Gebälkdecke und des Fussbodens, letzteren 
mit rautenförmigen und runden Fliesen behandelt. Weiter geht 
er zu den Einzelheiten, den Gesimsen, Säulenfüssen und der- 
gleichen über, um dann im neunten Kapitel die vollständige 
Darstellung eines Wohnzimmers mit Tisch und Bank, Ofen, 
"Tresur" u. s. w. zu bringen. Sind hierin die Elemente mittel- 
alterlicher Kunst noch überwiegend, so zeigt die folgende Dar- 
stellung an den schlanken Säulen des Betthimmels die Formen 
der Renaissance. Auch in den folgenden Strassenprospecten 
mischen sich gothische Elemente mit antikisirendem Detail. Von 
sehr unbestimmter Renaissance sind die Säulen auf der präch- 
tigen Kirchenhalle im zehnten Kapitel, wo Säulenreihen mit 
antikem Gebälk, aber mit frei phantastischem Laubwerk sich vor 
den Wänden hinziehen, die Bedeckung der Halle aus rundbogigen 
aber gothisch profilirten Kreuzgewölben besteht, welche auf Con- 
solen mit antikem Profil ruhen. Eine voll ausgebildete Renais- 
sance zeigt sich dann in der folgenden zweischifiigen Halle mit 
doppelten Kreuzgewölben, die keine mittelalterlichen Rippen
	        
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