Volltext: Geschichte der deutschen Renaissance (Bd. 5)

136 
III. 
Renaissance in Deutschland 
Buch. 
Allgemeiner Theil. 
dass man dessen verdrossen wird, allein ausgenommen viel zu 
wissen, dessen wird Niemand ganz verdrossen, denn es ist uns 
von Natur eingegossen, dass wir gern viel wüssten, dadurch zu 
erkennen eine rechte Wahrheit aller Dinge."  
Diesen tieferen Grund glaubt er nun in der Geometrie zu 
erkennen, und giebt deshalb seine Unterweisungen mit steter 
Rücksicht auf Grössen und Zahlenverhältnisse, indem er auf rechte 
Proportion und rechtes Maass dringt. Hier ist es für uns von 
besonderem Werth, seine Auffassung der Architektur, wie sie im 
dritten Buch der Unterweisung hervor-tritt, ins Auge zu fassen. 
Dürer steht in diesen Dingen ebenso getheilt da wie alle seine 
nordischen Zeitgenossen; einerseits fusst er auf den überall noch 
in Kraft befindlichen Ueberlieferungen des Mittelalters, anderer- 
seits sucht er sich an Vitrnv anzulehnen, dessen Verstandniss 
freilich durch die Anschauung der Zeit selbst wesentlich bedingt 
wurde. Als Beispiele giebt er ebensowohl antikisirende Säulen, 
wie spätgothische Pfeiler und Gewölbe. So bringt er für die, 
welche „grosse Liebe haben zu seltsamen Reibungen in den Ge- 
wölben zu schliessen, von Wohlstands wegen," einmal ein com- 
plicirtes Netzgewölbe, eine Form, an welcher die deutschen Bau- 
meister noch bis ins 17. Jahrhundert mit Vorliebe festhielten, wie 
z. B. die Kirche in Freudenstadt beweist. Ueberall geht er beim 
Aufriss seiner Figuren auf geometrischen Grund zurück. Merk- 
würdig ist dabei die Stelle, in welcher er unsern acht deutschen 
Hang zu individueller, ja eigenwilliger Selbständigkeit betont, 
indem er sagtl): „So ich aber jetzt vornehme, eine Säule oder 
zwei lehren zu machen für die jungen Gesellen sich darin zu 
üben, so bedenke ich der Deutschen Gemüth, denn gewöhnlich alle 
die etwas Neues bauen wollen, wollten auch gern eine neue Fatzon 
dazu haben, die zuvor nie gesehen wäre." In der Aufzeichnung 
dieser Säule treibt er das Zurückführen auf geometrische Grund- 
linien bis zum Aeussersten und glaubt damit offenbar etwas Un- 
übertrelfliches geleistet zu haben. Den Hang zu willkürlicher 
Freiheit der Erfindung erkennt man auch an den von ihm ge- 
gebenen Kapitälen, denn obwohl er dabei die Antike im Auge 
hat, mischt er die einzelnen Ornamente in ungebundenster Weise 
und fordert auf, „etwas von schönen Dingen als von Laubwerk, 
Thierhäupten, Vögeln und allerlei Dingen, die nach dem Gemüth 
derer sind, die solches arbeiten," daran anzubringen. Auch solle 
Jeder streben, etwas Weiteres und Fremdes zu finden, denn 
wenn auch der hochberühmte Vitruvius und Andere gesucht und 
Unterweisung 
III. 
IIIb.
	        
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