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III.
Buch.
Deutschland.
Renaissance in
Allgemeiner Theil.
Nichts giebt uns indess eine klarere Vorstellung von dem
mächtigen künstlerischen Bcdürfniss jener Zeit, als die Thatsache,
dass sogar das grobe Feldgeschütz Gegenstand ornamentaler
Behandlung und elegantester Durchbildung wurde. Selbst Meister
wie Albrecht Dürer liessen sich herbei auch diesem Gebiete
ernsthafte Studien zu widmen und für die Geschütze nicht blos
die zweckmässigste Construction, sondern auch die eleganteste
Form und Ausstattung zu ersinnen. Aus manchen noch erhal-
tenen Beispielen _hebe ich nur die Reihe schöner Geschützrohre
heraus, welche vor dem Zeughaus in Augsburg aufgestellt sind
und sich nicht blos durch ebenso markige als feine Profilirung,
sondern auch durch schöne Ornamente und passenden figürlichen
Schmuck auszeichnen. Was kann z. B. sinnreichcr sein, als
wenn der Schlund solcher Geschützrohrc als geöffneter Löwen-
rachen charakterisirt wird!
Zu den wichtigsten Kunstgewcrben der Zeit gehört nun auch
die Töpferei (Hafnerei). Doch nimmt Deutschland hier bei
Weitem nicht die hohe Stellung ein, welche Italien durch seine
Majoliken und Frankreich durch seine Fayencen behauptet. Viel-
mehr begnügt man sich, auf dem im Mittelalter betretenen Wege
fortzufahren und bei der blossen Steingutfabrilaation und der so-
genannten Mezza Majolica stehen zu bleiben. Aber in der Aus-
bildung der Gesammtform und in der Ornamentation gewinnt die
Renaissance etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts auch hier
bestimmenden Einfluss. Während das vornehmere Geschirr über-
wiegend von Metall hergestellt wird, erhalten die gewöhnlichen
Gefasse des Lebens ihr Gepräge durch den Töpfer. Die Gefässe
sind entweder hellgrau oder gelblich, hellbraun, ledcrfarrben,
theils oder ganz glasirt, oder endlich mit hellblauem Anflug und
dunkelblauen Zeichnungen bei durchgängiger Glasur. Letztere
sind vorzugsweise plastisch ausgebildet, mit kräftigen scharfen
Profilirungen und mit aufgepressten Ornamenten, welche meistens
Figürliches und Vegetatives mischen. Diese einfachen Gefässe,
Krüge, Kannen und Becher, gehören zu den stilvollsten Schöpfun-
gen der Zeit. Zweckvoll in der Gcsammtform, energisch in der
Prolilirung, sparsam und angemessen in der Austheilung der Or-
namente, sind sie wahre Muster einer sinnigen Gefässbildnerei.
(Fig. 21.) Die Hauptstiitten der Anfertigung in Deutschland be-
fanden sich am Niederrhein, namentlich zu Köln, in den Nieder-
landen zu Delfft, dann in Nürnberg, Crcussen bei Bayreuth,
Strehla in Sachsen, Mansfeld, Regensburg und Augsburg.
Noch grössere Bedeutung gewann die Hafnerei indess für
die unmittelbare Ausstattung der Gebäude durch die Anfertigung