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III. Buch.
Renaissance in
Deutschland.
iällgemeincr
Thcil.
zu verbinden, dass das Ganze einen festen Zusammenhalt bildet.
Dieser wird nicht blos dadurch hergestellt, dass an den durch-
schneidenden Stellen Bänder angebracht werden, sondern noch
häufiger dadurch, dass man das Stabeisen durcheinander steckt,
indem man an den Ueberkreuzung-spunkten ein sogenanntes ge-
schwelltes Auge einem der Stäbe anschmiedet, durch welches
der andre Stab gesteckt wird. Diese Technik, die man früher
nur bei viereckigen Eisenstäben und zwar ausschliesslich in grad-
linigen Durchschneidung-en angewendet hatte, ist eine wahre
Geduldsprobe für den ausführenden Meister, weil das Werk in
seinem Zusammenhange jedesmal wieder ins Feuer gebracht und
glühend gemacht werden muss. Aber grade im Schaffen und
Ueberwinden solcher Schwierigkeiten suchten unsere alten Kunst--
handwerker ihren Stolz, und trotz aller Zerstörungen ist noch
immer ein unabsehbarer Reichthum an Meisterwerken dieser
Technik überall in deutschen Landen zu finden. Die konstruc-
tiven Gesichtspunkte bilden immer die Grundlage und sind stets
so berücksichtigt, dass die Werke an Festigkeit und Solidität
ihres Gleichen suchen. Daneben aber herrscht ein bewunderns-
würdig-er Reichthum der Erfindung, der sich zunächst in den
mannigfaltigsten Formen der Linienführung kundg-iebt. Man zieht
die Stäbe wie ein Bankenwerk in spiralförmig-cm Windungen und
lasst kleine Seitenäste wie Zweige daraus hervorgehen, die ebenso
viele Querverbindungen bilden, nicht blos den Eindruck bereichern,
sondern auch die Festigkeit vermehren. Sodann verwendet man
die Stäbe haufig- so, dass man sie wie Schreibsehnörkel in
regelmässiger Wiederkehr sich über's Kreuz durchschneiden lässt
und mit solchen kalligraphischen Linien oft den Mittelpunkt eines
Gitters auszeichnet. Die Krönung der einzelnen frei heraustreten-
den Glieder wird stets durch prächtige Blumen gebildet, bei
denen der Kern immer aus einem spiralförmig verschlungenen
Eisendraht besteht, um welchen sich in zierlichem Spiel kleinere
Ranken gruppiren. Daneben erhalten die untergeordneten En-
dungen oft ein freies Blattwerk, gezackt nach Art des Epheus
und des Weinlaubs, oder in einfacherer Lanzettform. Endlich
verlangt aber auch die Phantastik der Zeit ihr Recht, und sie
übt es dadurch aus, dass sie seltsame Fratzen, Menschen- oder
Thierköpfe und wunderliche Gestalten aller Art aus den Ranken
hervorwachsen lässt. Diese figürlichen Beiwerke erhalten dann
durch kräftig-e Einkerbungen eine noch markigere Charakteristik,
und schliesslich wird das ganze Gitter mit Farbe überzogen,
oder wenigstens schwarz angestrichen, an Blumen, Blättern und
andern ornamentalen Zuthaten aber vergoldet. Wir geben als Bei-