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III.
Buch.
Renaissance in Deutschland.
Allgemeiner
Theil.
Schubladen zur Aufbewahrung von allerlei Kostbarkeiten und
Raritäten bestimmt, oft aber auch lediglich zu Schreibtisehen
dienend und als solche ausdrücklich bezeichnet, durch den erdenk-
liehsten Aufwand an prachtvollem Material und sinnreicher Arbeit
selbst einen hohen Werth gewinnen. Während man in Italien
sie überwiegend mit kostbaren Steinen, Mosaiken in Pietra dura
und Perlmutter inkrustirte und bisweilen dazu Miniaturgemätlde
fügte, bedient man sich in Deutschland meist eingelegter Elfen-
beinarbeit und lässt damit allerlei zierliche in Silber getriebene, zum
Theil vergoldete Ornamente wechseln. Die Gesammtform dieser
Schränke (Fig. 13) bildet einen Aufsatz in Gestalt kleiner palast-
artiger Prachtbauten, reich gegliedert in mehreren Stockwerken
durch verzierte Säulen, Karyatiden und Atlanten in Hermenform
auf geschmückten Postamenten, dazwischen Statuetten und Re-
liefs in reichen Rahmen, das Ganze bekrönt von durehbrochenen
Balustraden, auf deren Ecken Postamente mit Statuetteil vor-
treten. Der Mittelbau ist öfter eingezogen, stets aber mit einem
Prachtportal und darüber wohl mit einer offenen Loggia auf
Säulen ausgestattet. Im Nationalmuseum zu München sieht
man mehrere schöne Werke dieser Art mit eingelegter Holzmosaik
in mannigfacher Ausstattung. Einer der reichsten ist ganz in
Elfenbein aufgebaut, mit zierlicher Goldfassung, die aber grossen-
theils durch eine spätere derbere in Rococoformen verdrängt ist.
Auf den einzelnen Flachen sind in Silberplatten Emailornamentc
eingelassen, an Feinheit des Stils und Farbenpracht unvergleich-
lich. Papageien und andere Vögel sowie phantastische Wesen
aller Art wiegen sich in Blumenranken von üppigem Farben-
zauber. Der Schrank ist von Christoph Angermaier aus Weil-
heim 1590-1601 gearbeitet, die Emailarbeit vom Goldschmied
David Alte-nstdlter ausgeführt. Ein anderer Elfenbeinsehrank da-
selbst ist an den Flachen und in den Hauptgliedern ganz mit
Lapislazuli ausgestattet. Augsburg War der berühmteste Ort für
solche Prachtschreine. Man sieht an diesen Beispielen schon,
wie der Kunsttischler, der Bildschnitzer, der Steinschneider und
der Goldschmied dabei betheiligt sind.
Mehrere treffliche Werke dieser Art sind im neuen Museum
zu Berlin. So ein kleinerer Schrank aus Ebenholz, auf dessen
schwarzem Grunde Felder von Lapislazuli mit vergoldeten Silber-
ornamenten angebracht sind. Noch mehrere ausgezeichnete Werke
dieser Art besitzt dieselbe Sammlung; das glänzendste ist der-
sogenannte pommersehe Kunstschrank, der in sich eine Ver-
einigung aller verschiedenen Techniken der Zeit darstellt. Im
Auftrage Herzog Philipps II von Pommern in Augsburg ange-