KaP-
VII.
Die Formenbehandlung des XVI.
Jahrhunderts.
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auch nicht von denjenigen, Welche sich bei gewissen Constructio-
nen von selbst ergeben, sondern von der Nische für das Auge.
Sie wechselt fortan gerne an Palastfacaden mit den Fenstern ab,
gleichviel ob ihr eine Statue gegönnt sei oder nicht. Wie die
stärkere Plastik der vertretenden Theile, so wirkt sie zurücktre-
tend; ihr Schatten ist wie der aller Rundflächen der schönste.
An den Kirchenfacaden des XV. Jahrhunderts standen die
Statuen auf Consolen vor den sehr Hachen Nischen (Certosa von
Pavia) oder unter Tabernsrkeln mit Flachnischen Bernardino
zu Perugia, Fig. 21). Im XVI. Jahrhundert erhalten sie die halb-
cylindrische, vollständige Nische. Im Innern, wo die Pfeiler
jetzt gern je zwei Pilaster erhalten, kommen zwischen die letztern
eine oder auch zwei Nischen über einander. Vielleicht herrscht
diess Motiv zum ersten Mal vollständig in Bramantds und Ra-
faePs "Plänen von S. Peter. 66.)
Die Fenster des XV. Jahrhunderts 89), meist rundbogig,
hatten nur ihr ringsum gehendes Profil, welches z. B. im Back-
steinstyl sehr reich sein konnte. Bei den vor der Hand wenig
zahlreichen rechtwinkligen Fenstern, welche noch Steinkreuze
bekamen (Hof im Pal. Pius II. zu Pienza, Pal. di Venezia in
Ilom) hatte sich zaghaft und wenig bemerklich der Pilaster ge-
meldet. welcher dagegen an T horen und ZWEII: sowohl im Innern
der Gebäude als an der Hauptpforte (Genua) zumal an Kirchen-
portalen sehr prächtig verziert auftrat. Alberti de arte aedif.
L. IX, c. 3: nfenestras ornabis opere corinthio, primariuni ostium
ionico, fores tricliniorum et cellarum et eiusmodi (loricom
was durchaus nur von Pilastern zu verstehen ist. Die Fenster-
friese erhielten früh schon Inschriften.
Kirchen hatten von jeher an Fenstern und 'l'hüren wenig-
stens das Vorrecht des Giebels, eine Erbschaft der Gothik, wenn
man will. (Als frühester Thürgiebel der Renaissance gilt der im
Noviziat von S. Croce in Florenz.) 1 Auch hatte man sich an den
Hauptportalen der vertretenden Säulen nicht ganz entwöhnen
mögen (Certosa von Pavia, S. M. delle Grazie in Mailand, vgl.
ä. 37). Doch weit in den meisten Fällen begnügte man sich
mit einem verzierten Pilasterportal, darüber ein Giebel. Die
vier höchst prachtvollen Fenster der Facade der Certosa waren
eigentlich als Pforten gedacht, ihre Pfosten und Oberschwellen
antiken Thüreinfassungen nachgebildet; über dem reichen Fries
und Gesims die Giebel in Gestalt von Voluten mit Figuren und
anderem Schmuck; innerhalb der Pfosten, als Stützen der einge-
setzten je zwei Bogen, die berühmten marmornen Candelaber.
Im XVI. Jahrhundert gibt es kein Beispiel solchen Reich-
thums mehr. Zunächst bekommen die Portale auch an weltlichen
1 Vagari III,
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di Michelozzo.