Kapitel.
Die
Gomposition
des
Palastbaues.
Rückblick
ä. 88.
frühern Palastbau Italiens.
auf den
Die Uivilbaukunst der Renaissance, welche bis heute die-
jenige aller nichtbarbarischen Völker thatsächlich beherrscht,
besass ihre wichtigste Eigenschaft, die regelmässige Anlage als
Erbschaft aus der italienisch-gothischen Zeit. (Q. 21.)
Das heutige Bauen regelmässiger Häuser und Paläste mit nor-
disch-gothischein Detail ist reiner Undank gegen die italienische
Baukunst, ohne Welche es gar keine symmetrische Anlage gäbe.
Verpflanzt man aber schon venezianische Gothik nach dem Nor-
den, welche mit der Regelmässigkeit allerdings in Harmonie
steht. so bleibt man damit nicht deutsch-nationaler als wenn
man die reifere Gestaltung derselben Triebkraft, die Renaissance.
wieder adoptirte. In nordisch-gothischen Formen möge man
unsymmetrisch bauen, wozu wir Glück, Geld und den wahren
Humor wünschen, sowie gänzliche Freiheit von englisch-gothi-
schem Detail, da auf dem Continent die anmuthigere und flüssi-
gere Ausdrucksweise für dieselben Gedanken an manchen spät-
gothischen Civilbauten, freilich zerstreut, zu finden ist.
Der italienisch-gothische Palastbau hatte von vornherein mit
dem Bergschloss und seinem meist unvermeidlich unregelmässigen
Grundplan nichts zu thun gehabt, da seit dem XI. Jahrhundert die
Hauptwohnungen des Adels immer in den Städten gewesen waren.
Er zuerst hatte die Fronten gerade gezogen und nicht beliebig ge-
brechen; er hatte für alle Raume eines Erdgeschosses dasselbe
Niveau festgehalten, so dass man nicht aus einem Zimmer über
halsbrechende Stufen in das andere gelangen musste; er hatte
regelmässige Corridorean den Gemächern herumgeführt und sich
nicht auf schmale winklige Gange und auf beständiges Aushelfen
mit Wendeltreppen verlassen. Bereits war die Einheit der Fronte
und des Grundplanes die Mutter aller andern Einheit und Bau-
logik. Für den vornehmern Privatbau galt bereits ein gewisses
Maass höherer Form und Ausstattung als unerlässlich, wenn auch
im XlVqJahrhundert der Name Palast noch ganz den fürstlichen
und öffentlichen Gebäuden vorbehalten ist.1
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' Einfester, für ganz Italien gültiger Sprachggbrauch existirte auch im
Jahrhundert und später nicht, wohl aber für emzelne Städte. Im Diario