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Buch.
Renaissance in Italien.
Architektur.
liess das jetzige Langhaus davor bauen. Rafael beabsichtigte,
wie gesagt, ein Langhaus; das Ernennungsbreve Leo's X., 1 dat.
1. Aug. 1515, mit dem Appell nalla propria stima e al vostro
buon nome e iinalmente alla dignita e alla fama di questo
tempiou 2 Auf ItafaePs Plan folgte der des Baldassar
Peruzzi, dessen wunderschöner Grundriss höchst Wahrscheinlich
nur eine Umarbeitung von Bramantds griechischem Kreuz in
etwas freiern und flüssigern Formen ist, mit sehr verstärkten
Pfeilern. 3
Die Entwürfe des jüngern Ant. Sangallo und des Fra Gio-
condo 4 sind nicht der Rede werth, weil sie wohl die Hälfte des
Raumes mit völlig abgetrennten Vor- und Nebenräumen vergeu-
den, wo sich, wie Michelangelo scherzte, sogar Falschmiinzer
hätten festsetzen können. 5
Michelangelo übernahm1547 in seinem 72sten Lebensjahre
den Bau, weil ihn Gott dazu bestellt hatte, 6 ohne Besoldung,
aus Liebe zu Gott und Andacht zum Fürsten der Apostel, 7 und
behielt denselben bis an sein Ende, damit nicht durch seinen
Rücktritt einigen Schurken ein Gefallen geschehe, ja der Bau
völlig liegen bleibe. 8 Die welthistorische Stellung MÜs beruht
auf den verschiedensten 'l'hätiglzeiten, sein Grösstes aber ist
doch wohl, dass er die Sehnsucht der ganzen Renaissance erfüllte
durch den Bau der vollendet herrlichen Riesenkuppel mit dem
lichtströmenden Cylinder, und dass er noch einmal dem Central-
bau den Sieg verschaffte (Fig. 41). Seine Fagade mit pracht-
voller freier Säulenstellung würde sich der Kuppel völlig unter-
geordnet haben. (Abgebildet unter andern auf den Kupferstichen
des Jubiläums von 1600.) Seine Anlage des Innern ist betracht-
lich einfacher als bei Peruzzi.
Andere
g. 67.
Centralbauten des XVI.
Jahrhunderts.
Während dieses Baues entstanden überall in Italien vor-
herrschend "centrale Kirchenanlagen im grössten wie im kleinen
Mazissstabe, einige in ihrer Art sehr vollkommen, andere merk-
würdig als Zeugnisse "einer starken künstlerischen Gährung. Der
jüngere Ant. Sangallo pflegte bei seinen zahlreichen Kirchenbau-
ten nur die centrale Form: S. M. di Loreto in Rom (schon 1507)
als Achteck. die beiden 'l'empietti im B0lsenei' See, zwei Projecte
für S. Giacomo degli Incurahili zu Rom, Kirchen in Foligno und
Monteiiascone etc. 9 Jaicopo Sansovino, der sechzig Kirchen-
1 Bei Quatremöre, ed. Longhena, p. 529. 2 S. auch Lettere pittoriche
VLQ. 3 Serlio, L. III. 4 lYAgincourt, T. 72, 73. 5 Lettere pittoriche,
VI, 9. 6 Lett. pitt. VI, 10. 7 Brave PauPs III. " Lett. pitt. I, 6,
9 Vasari X, p. 3, 7, 35, 44, 64, 66, v. di Ant. Sangallo, sannnt Commentar.