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I. Buch.
Renaissance in Italien.
Architektur.
nung von vier gleichen Kreuzarmen, welche mit der Zeit die
vorherrschende wurdle, fiel auch jedes Bedenken weg in Betreff
des Hochaltars, dem man auf diese Weise einen verschliessbaren,
besonders geweihten Raum ersten Ranges, den hintern Kreuzarm,
geben konnte. In der Mitte des Baues wollte man ihn nämlich
niemals anbringen und eine Stelle innerhalb eines blossen Um-
ganges von Hallen u. dgl. War nicht ehrenvoll genug. Bei acht-
eckigen Kirchen widmete man ihm daher einen besondern Ausbau,
opferte aber die Einheit des Planes, die man beim griechischen
Kreuz retten konnte.
Mit dem Centralbau ist das Wölben wesentlich und unver-
meidlich verbunden. Alle runden undi polygonen Räume ver-
la.ngen einen obern Abschluss, der ihrem Grundplan analog ist.
Die oft überaus zusammengesetzten Centralbauten enthalten bis-
weilen alle möglichen ächten und gemischten Wölbungsarten,
Welche in der Hauptkuppel gleichsam ihre Herrin finden. Doch
erhält diese erst spät den hohen lichtbringenclen Cylinder und
im Aeussern die Calottenform.
Diese Bauweise in ihrer Vollkommenheitiverwirklicht alle
Ideale der Renaissance: absolute Einheit und Symmetrie, vollen-
det schöne Gliederung und Steigerung des Raumes, harmonische
Durchbildung im Innern und Aeussern ohne müssige Fagaden und
die herrlichste Anordnung des Lichtes.
Wir nehmen bei unserer Betrachtung auch solche Bauten
mit, welche zwar den Chorbau einer Langkirche bilden, aber
offenbar eher im Sinne von Centralanlagen und mit dem Wunsche
darnach componirt sind. Letztere waren und blieben die höchste
Angelegenheit dieser grossen Bauepoche, welche alle ihre Kräfte
dafür aufwandte, sobald sie irgend durfte. Ihre schwachen Sei-
ten beginnen erst da, wo ihr diess hohe Ziel aus äussern Grün-
den versagt wird.
Die
dgar
ä. 63.
Centralbauten
frühesten
Renaissance.
Die Phantasie des XV. Jahrhunderts War schon mit Rund-
und Polygonbauten erfüllt, als Brunellesco an zwei nur unterge-
ordneten Kirchen den Centralbau in ganz neue Motive kleideteß
Brunellescds nur angefangenes Polygon bei den Angeli in Flo-
renz, ä. 9. 2 AohtseitigerKuppelraum mit ebenso vielen hochge-
öffneten Capellen, wovon sechs der Verehrung der zwölf Apostel
1 Bauten dieser Art auf Hintergründen der Altargemälde und Reliefs;
Vasari III, p. 117, V. di Ghiberti; IV. p. 147, v. di Castagno. Dann beson-
ders in peruginischen Bildern, in Intarsien, an Chorstühlen (ä. 151) etc.
2 Die Abbildung bei dügincourt, Archit, T. 50. Vasari III, p. 229, s, 242,
v. di Brunellesco; vita. anonima, p. 187.