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Buch.
Renaissance in Italien.
Architektur.
für das Vollkommenste hält, braucht sie dann aber ohne Be-
denken auch im Profanbau.
Es ist ein Aberglaube, dass ein eigener sacraler Baustyl
(den ja auch die rohen Urvölker haben) einem Volke oder seiner
Culturepoche eine grössere Ehre bringe, als ein abgeleiteter Styl.
Natürlich kannt letzterer die Scheidung ZWlSClIGII sacralen und
profanen Formen nicht mehr durchführen, ja die altchristliche
Baukunst hatte ausser den Formen sogar die Baustücke von den
heidnischen Bauten entlehnt. Der abgeleitete Styl aber als
Raumstyl (ä. 80, 32) hat ein Recht auf die Formen der vor
ihm dagewesenen organischen Style und soll-sie nach seinem in-
nern Bedürfnisse aufbrauchen, wobei ihn sein Genius führen
wird. Die Renaissance hat gar keine speciüsch-kirchlichen For-
men. Selbst die wenigen Fenster- und Thürformen, die sie An-
fangs dafür hielt, ja den Giebel (Palladio) nahm der Palastbau
mit der Zeit dem Kirchenbau ab. Alles kam auf den Geist an,
welcher sich der Formen bediente.
Sehr bedenklich aber ist es, sich auf die geringere Reli-
giosität des damaligen Italiens im Vergleich mit der gothischen
Blüthezeit des Nordens zu berufen, ganz als ob man Religiosität
und kirchliche Iiechtgläubigkeit unserer nordischen Baumeister
des XIII. und XIV. Jahrhunderts genau messen könnte. Auf der
andern Seite haben auch die sehr frommen Italiener der Renais-
sance nicht heiliger gebaut, als ihre Zeit- und Kunstgenossen.
(Vgl. ä. 215, 264.)
Im Süden ist das Grosse und Schöne von selber heilig.
Jeder mag entscheiden, ob dabei der Begriff des Heiligen niedrig
oder der der Kunst hoch genommen sei. (Vgl. das Wort Michel-
angelois in der Relation des Francesco d'0landa 1549. bei Rac-
zynski, les arts en Portugal p. 14: ndie wahre Malerei ist edel
und fromm von selbst, denn schon das Ringen nach Vollkommen-
heit erhebt die Seele zur Andacht, indem es sich Gott nähert
und vereinigte, im Sinne des Sprechenden gewiss für die
Kunst überhaupt geltend.) Wenn aber irgend etwas die religiöse
Unsicherheit unserer Zeit beweist, so ist es die ungemeine Em-
piindlichkeit gegen angeblich nicht heilige Formen. Der Fana-
tismus der jetzigen französischen Kirchenbauer für das treizieme
siecle lässt auf eine innere religiöse Schwäche der Partei schlies-
sen, gerade wie anderswo die um sich greifende gewaltsame Ver-
einfachung der Kirchenmusik.
ä. 62.
des Centralbaues.
Wesen
Wohl
wesentlich
aber hat die Renaissance die höchste, allem Gothischen
büberlegene kirchliche Bauform, den Centralbau, bis