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Erstes Buch. Architectur.
An und für sich war manche Incrustation so
solide Vergoldung, und das Verbot der letztem hatte
den Neid gegen Venedig nicht zu steigern.
theuer als eine ganz
wohl nur den Zweck,
Verhältniss
der Incrustation
ZU
den Formen.
Die Incrustation neigt sich unvermeidlich dem Decorativen zu
auf Kosten des Architectonischen. Der Styl der Frührenaissance in
Venedig verdient sogar kaum noch den Namen eines Baustyles.
Es fehlte an eigentlichen Architecten, oder wenn sie vorhanden waren,
so konnten sie nicht aufkommen. Auch bei der höchsten Stoffpracht
hätte man edler uud kräftiger componiren können. Die Architecturen
auf den Bildern Mantegnzfs und seiner Schule, auch auf den Legenden-
bildchen Pisanellds in der Sacristei von S. Francesco zu Perugia stellen
öfter Incrustationsbauten dar, wie sie Venedig nicht hat. Die richtige
Anwendung der lncrustation an der Certosa bei Pavia, 71.
Alles geht aus von der schönen, polirten Erscheinung der ein-
zelnen Platte von Marmor irgend einer Farbe, von Porphyr, Serpentin etc.
Sie werden symmetrisch gruppirt und mit Streifen contrastirender
Farben umgeben. Der Pilaster als Ordnung fande hier keine Gunst;
er dient nur als Abschluss der verzierten Massen, als Ecke, und wenn
man die horizontalen Gesimse und Sockel dazurechnet, als Einrahmimg.
Die prachtvollen Arabesken, womit man ihn häufig anfüllt, sind dess-
halb auch oft identisch mit denjenigen der Friese, das verticale Zier-
motiv mit dem horizontalen. Immer erhält der Pilaster ein eigenes
Rahmenproiil und oft in seiner Mitte eine runde Scheibe aus irgend
einem farbigen Steine, deren Stelle auch Wohl ein Relief einnimmt.
Der Ruhm der Gebäude hängt mehr von diesen Arabesken ab als
von dem baulichen Gehalt; ihre Urheber werden gerne genannt, z. B.
Sansovino, Venezia, fol. 86 bei Anlass der Pforte von S. Michele, deren
Zierrathen von Ambrogio da Urbino herrührten.
Als Tullio Lombardo seine Friese (für welchen Bau wird nicht ge-
sagt) in Treviso vollendet hatte, wurden sie im Triumph durch die Stadt
geführt; Pompon. Gauricus de sculptura, bei Jac. Gronov. thesaur. graecc.
antiqq. Tom. IX, Col. 773.
Der Styl dieser Arabesken ist von der Decoration höchsten Ranges
entlehnt. Oft geht unter dem Fries noch ein zweites, ebenfalls verziertes
Band hin.