174.
Einwirkung
der
antiken
Grottesken.
Eine allgemeine Veränderung ging in der ganzen Decoration
der Mauern und besonders der Gewölbe vor sich seit der Entdeckung
(oder nähern Prüfung) der sogenannten Grotten, d. h. verzierter Räume
von Thermen und Palästen des Alterthums. Die Verhältnisse von
Stucco und Farbe, sowie die Formen, Eintheilungen und Gegenstände,
Welche man hier vorfand, machten den stärksten Eindruck auf die
beginnende Hochrenaissance und wurden theils mehr unmittelbar nach-
geahmt, theils mit dem bisherigen System verschmolzen. Die Nach-
wirkung dehnte sich auch auf alle übrigen Gattungen der Decoration aus.
Der Name Grottesken, durch spätern Verfall der Gattung zu einer
schiefen Bedeutung herabgekommen, bezeichnete damals die von den
antiken Grotten abgeleitete Decoration. Der frühste officielle Gebrauch
in dem ä. 172 erwähnten Contract mit Pinturicchio 1502: er sei ver-
pflichtet, das Gewölbe der Libreria zu schmücken mit solchen Phantasien,
Farben und Eintheilungen, die er für das Zierlichste, Schönste und Wirk-
samste (vistosa) halte, in guten, feinen und festhaftenden Farben, nach
derjenigen Art (forgia, lies foggia?) und Zeichnung, welche man jetzt
grottesche heisst, mit abwechselndem Schmuck der einzelnen Felder (con
li campi variati) so schön und zierlich als möglich.
Der Anfang des Studiums der wGrottenx soll geschehen sein durch
einen gew. Morto da Feltre, von welchem nur Vasari (IX, p. 106, ss.,
v. di Morto) etwas weiss. Derselbe kam jung nach Rom zu der Zeit,
als Pinturicchio im ApparLBorgia und in der Engelsburg für Alexander VI.
malte, also 1492-1495. Er zeichnete nicht bloss, was er in Rom wUnter-
irdischesv erreichen konnte (ohne Zweifel besonders die Titusthermen),
sondern auch, was in der Villa Adriana bei Tivoli und in Pozzuoli, Bajä
und Umgegend noch vorhanden war. Hierauf soll er nach einem kurzen
Aufenthalt in Rom sich nach Florenz und später nach Venedig begeben
haben. Von seinen decorativen Arbeiten in beiden Städten ist nichts
mehr erhalten und ebensowenig von denjenigen seines florentinischen
Schülers Andrea Feltrini, eines sehr vielseitigen Decorators auch für
Fassaden, Zimmerdecken, Prachtfahnen, Laubwerk für kostbare gewirkte
Stoffe u. s. w.
Zunächst musste ein dauerhafterer Stucco wieder erfunden werden,
der nicht mehr stückweise abfiel (ä. 173). Das Recept Vasarfs I, p. 124,
Introduz, c. 4; Hauptstelle Vasari XI, p. 302,5, v. di Udine; statt
des Marmorstaubes auch pulverisirte Kiesel, XI, p. 6, v. di Gherardi. Jetzt