Kapitel.
XIV.
Die Villen.
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regen; unvermeidlich wird sich sowohl beim Bauherrn als beim Archi-
tecten neben dem Originellen auch das Grillenhafte und Extravagante
einfinden.
Im VII. Buche des Serlio p. 28 der berüchtigte Plan einer Villa in
Gestalt einer Windmühle; p. 42 das Geständniss, man müsse sich vor
dem allgemeinen Brauch durch neue Erfindungen zu retten suchen;
runde, ja sogar ovale Villenhöfe mit Pfeilerhallen p. 27, 250. (Vgl. ä. 120
die Caprarola.) Andere Thorheiten p. 38 etc. Die Ueberzeugung, dass
auf dem Lande überhaupt Licenzen gestattet seien, die man sich in luogo
civile e nobile nicht erlauben würde, p. 16.
Den äussern Anblick charaeterisirt vorzüglich, im Gegensatz zur
Stadtwohnung, die Oeffmlng nach aussen in Gestalt von Hallen, als
sichtbarer Ausdruck der Liebe zum Freien, des Einladenden und Luf-
tigen; zugleich der stärkste Gegensatz zu nordischen Landsitzen.
Serlio VII, p. 46: ßAuf dem Lande sind Hallen sehr viel schöner
sanzusehen als (geschlossene) Fassaden; es liegt ein stärkerer Reiz (piü
wdiletto) darin, das Auge in das Dunkel zwischen den Bogen eindringen
szu lassen, als eine Wand zu bewundern, WO der Blick nicht weiter
vkannß
Den
stärksten Eindruck
des Einladenden
erreicht
die Architectur
auch
mit einem ohne Zweifel von Thermen entlehnten Motiv: der grossen
einwärtstretenden halbrunden Nische. Bramante allein gebrauchte das-
selbe, und zwar nicht an einer Villa, sondern als hintere Schlussforni
seines grossen vaticanischen Hofes und Gartens (Giardino della Pigna).
Aber Pietro da Cortona entlehnte dasselbe mit voller Absicht anderthalb
Jahrhunderte später für die Fassade seiner Villa Sacchetti, genannt il
Pigneto.
Von selbst Fällt nun auch die Einheit des Motives hinweg, Welche
an clen Stadtpalästen" Wenigstens der ältern toscanisehen Schule das
höchste Gesetz ist. Selbst die Symmetrie wird bisweilen preisgegeben.
Die Villa hat keine eigentliche Hauptfassade, da sie frei zu stehen
censirt ist; an jeder ihrer Seiten oder an irgend einer derselben wird die
Halle entweder die Mitte zwischen zwei vortretenden Flanken einnehmen
oder sogar unter Aufhebung der Symmetrie mit verschiedenen Baukörpern
zusammengruppirt sein. Sehr frühe muss schon der Thurm, als Ueber-
bleibsel des Sehlossbaues und seiner Zwecke, sich an der Villa festgesetzt
haben; er bleibt ein irrationelles Element, wenn man ihn nicht verdoppelt
oder vervierfacht.