Kapitel.
Palastbaues.
Composition
165
Das heutige Bauen regelmässiger Häuser und Paläste mit nordisch-
gothischem Detail ist reiner Undank gegen die italienische Baukunst, ohne
welche es gar keine symmetrische Anlage gäbe.
Verpflanzt man aber schon venezianische Gothik nach dem Norden,
Welche mit der Regelmässigkeit allerdings in Harmonie steht, so bleibt
man damit nicht deutsch-nationaler als wenn man die reifere Gestaltung
derselben Triebkraft, die Renaissance, Wieder adoptirte.
In nordisch-gothischen Formen möge man unsymmetrisch bauen,
wozu wir Glück, Geld und den wahren Humor wünschen, sowie gänz-
liche Freiheit von englischrgothischem Detail, da auf dem Continent die
anmuthigere und ilüssigere Ausdrucksweise für dieselben Gedanken an
manchen spätgothischen Civilbauten, freilich zerstreut, zu finden ist.
Der italienisch-gothische Palastbau hatte von vornherein mit dem
Bergschloss und seinem meist unvermeidlich unregelmässigen Grundplan
nichts zu thun gehabt, da seit dem XI. Jahrh. die Hauptwohnungen des
Adels immer in den Städten gewesen waren.
Er zuerst hatte die Fronten gerade gezogen und nicht beliebig ge-
brochen; er hatte für alle Räume eines Geschosses dasselbe Niveau
festgehalten, sodass man nicht aus einem Zimmer über halsbrechende
Stufen in das andere gelangen musste; er hatte regelmässige Corri-
dore an den Gemächern herumgeführt und sich nicht auf schmale wink-
liche Gänge und auf beständiges Aushelfen mit_ Wendeltreppen verlassen.
Bereits war die Einheit der Fronte und des Grundplans die Mutter aller
andern _Einheit und Baulogik.
Für den vornehmern Privatbau galt bereits ein gewisses Mass höherer
Form und Ausstattung als unerlässlich, wenn auch im XIV. Jahrh. der
Name Palast noch ganz den fürstlichen und öffentlichen Gebäuden vor-
behalten ist.
(Ein fester für ganz Italien gültiger Sprachgebrauch existirte auch
im XV. Jahrh. und später nicht, Wohl aber für einzelne Städte. Im Diario
ferrarese, bei Murat. XXIV, bes. G01. 220, 337, 390 wird durchgängig
scharf unterschieden zwischen palazzi, palazzotti und case. In Venedig
hiess officiell Alles mit Ausnahme des Dogenpalastes nur casa, thatsächlich
aber nannte man sehr viele Privatgebäude palazzi; Sansovino, Venezia,
fol. 139.)
Entstehung
ä. 89.
gesetzmässiger cubischer
ortionen.
Pr0P
Der Theoretiker Alberti gibt statt des ästhetischen Gesetzes für
den Palastbau nur ein Programm für den Inhalt desselben. Ausserdem
aber stellt er nach eigenen Beobachtungen die ersten Gesetze für die
cubiselien Verhältnisse der einzelnen Binnenräume auf.