IX. Kapitel.
der
Gomposition
Die
Kirch en.
153
das Göttliche (superi) nieder, um unsere Opfer und Gebete in Empfang
zu nehmen. Sollte aber auch das Göttliche sich um der Menschen hin-
fälliges Bauwesen nicht kümmern, so trägt es doch viel für die Frömmig-
keit aus, dass die Tempel Etwas an sich haben, was das Gemüth erfreut
und durch Bewunderung fesselt. Der Eintretende soll von Erstaunen und
Schauer hingerissen sein, dass er laut ausrufen möchte: dieser Ort ist
Gottes würdig! Die Wirkung soll eine solche sein, dass man ungewiss
bleibe, 0b die Kunst oder der Verewigungssinn grösser gewesen. Die
Lage verlangt er isolirt, in der Mitte eines Platzes oder breiter Strassen,
auf hohem Unterbau. Im Innern redet er dem Einen Altar das Wort,
sintemal das Sacrament von den Liebesmahlen der ersten Christen abstamme
und erst die spätere Zeit wAlles mit Altären vollgepfropfts habe. Auch
seine Lobrede auf nächtliche Beleuchtung ist vielleicht eine urchristliche
Reminiscenz, obgleich er dabei von den Alten redet, welche ain den
Schalen ihrer Gandelaber grosse wohlduftende Flammen anzündetene.
Höchst bezeichnend für die Herrschaft der Bauform ist seine Polemik
gegen Fresken, welche höchstens in die Vorhalle gehören; statt derselben
verlangt er Tafelbilder und noch lieber Statuen für das Innere. Zweimal
empfiehlt er die Incrustation, vielleicht nur um den Fresken zu entgehen
(vgl. 5. 265).
Die Fenster verlangt er mässig gross und in der Höhe, sodass man
durch dieselben nur den Himmel erblicke. Ja der Schauer eines gewissen
Dunkels vermehre die Andacht.
(Gleichzeitig, gegen 1450, spricht M. Savonarola sogar von einem
Verhältniss der dunkeln Gassenhallen zur andächtigen Stimmung, und
zwar bei Anlass von Padua; bei Murat. XXIV, Col. 1179. Dagegen rühmt
Pius Il., Comment. L. IX, p. 431, an seiner Kirche zu Pienza die Helligkeit.)
Die Symmetrie des Anblickes.
Zu dem beabsichtigten Eindruck gehört vor Allem, dass die
Symmetrie des Anbliekes (ä. 30) wenigstens im Innern nicht gestört
werde. Das XV. und XVI. Jahrh. bringen derselben sowohl in schon
bestehenden Kirchen als auch in Neubauten sehr namhafte Opfer. Die
Sehwesterkünste sollen sich zwar einfinden, aber der arehitectonischen
Gesammtwirkung unterordnen.
Die bisherigen Kirchen waren voller Einbauten, z. B. vertretender
Grabmäler und Altäre; man nrepurgirtem sie und stellte für die Neubauteh
strenge Gesetze auf.
Schon 1391 wurde im Dom von Florenz die Errichtung eines Pracht-