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Erstes
Buch.
Architectur.
Grössere Fassaden haben immer etwas Mageres und Schwächliches,
z. B. an den Kirchen aus jener Zeit in Neapel, Ferrara etc., selbst an
S. M. dell' Anima zu Rom (1500, angeblich von Giul. da Sangallo), ob-
gleich hier die Backsteinflächen, die steinernen Pilaster und andere Gliede-
rungen und die schöne mittlere Pforte fein zusammen gestimmt sind.
Von dem Concurs (1491) für eine neue Domfassade in Florenz (ä. 59)
ist nur das Protocoll erhalten; Vasari VII, p. 238, ss., im Gommentar zu
v. di Ginl. Sangallo. Florenz hielt es mit diesem Bau wie mit seinen
Verfassungen; im XIV. Jahrh. hatte Arn0lfo's Entwurf wegen zu grosser
Einfachheit der Fassade des Giotto Weichen müssen; jetzt, zu Ende des
XV. Jahrh., hiess letztere vregelwidrigw, sine aliqua ratione aut iure archi-
tecturae, doch riss man, was davon vollendet war, noch nicht ab, wie
diess 1586 bei einem ähnlichen Concurs geschah.
Theils das Vorbild altchristlicher Basiliken, theils wohl eigene
Rathlosigkeit, theils Albertfs Vorschrift (ä. 69) mag gewisse Archi-
tecten vermocht haben, Vorhallen vor die Kirchen zu legen. Doch
benehmen dieselben, zumal wenn sie ein Obergeschoss erhalten, dem
Gebäude leicht den kirchlichen Character.
S. Pietro in Vincoli und SS. Apostoli zu Rom, von Pintelli; S.
Marco zu Rom (Fig. 65), vielleicht von Francesco di Borgo S. Sepolcro;
S. Bartolommeo a Porta ravegnana zu Bologna, von Formigine.
An der kleinen Garmeliterkirche S. Maria bei Arezzo tritt die Vor-
halle, ein schöner Bau des Benedetto da Majano auf beiden Seiten
zwei Bogen weit über die Fassade vor. (S. oben Fig. 2 zu ä. 35.)
Bei Verdoppelung der Halle wird die Fassade leicht zur profanen
Loggia, was das Mittelalter (an S. Ambrogio zu Mailand) und später sogar
der Barockstyl (an S. M. maggiore und an S. M. in via lata zu Rom)
recht wohl zu vermeiden wussten, während die Doppelhalle am Querbau
des Laterans, sonst ein schöner Bau des beginnenden Barockstyls, gegen
den Obelisken hin, etwas Profaneres hat.
Auch ältere Kirchen erhielten überhaupt jetzt neue Vorhallen: der Dom
von Narni 1497, der Dom von Spoleto (diese von edler Pracht, angeblich
von Bramante) und etwas später S. M. in navicella zu Rom (Fig. 66,
einfach schön, von Rafael).
Die Fassade
der Certosa bei Pavia.
Ausser aller Analogie steht die Fassade der Certosa. von Pavia,
weltberühmt durch ihren überreichen Schmuck (ä. 51 und ä. 136), und
abgesehen von demselben vielleicht die bestgedachte des XV. Jahr-