IX. Kapitel.
der Kirchen.
Die Composition
Alle runden und polygonen Räume verlangen einen obern Abschluss,
der ihrem Grundplan analog ist. Die oft überaus zusammengesetzten
Centralbauten enthalten bisweilen alle möglichen echten und gemischten
Wölbungsarten, welche in der Hauptkuppel gleichsam ihre Herrin finden.
Doch erhält diese erst spät den hohen lichtbringenden Cylinder und im
Aeussern die Calottenform.
Diese Bauweise in ihrer Vollkommenheit verwirklicht alle Ideale
der Renaissance: absolute Einheit und Symmetrie", vollendet schöne
Gliederung und Steigerung des Raumes, harmonische Durchbildung
im Innern und Aeussern ohne müssige Fassaden und die herrliehste
Anordnung des Lichtes.
Wir nehmen bei unserer Betrachtung auch solche Bauten mit, welche
zwar den Chorbau einer Langkirche bilden, aber offenbar eher im Sinne
von Gentralanlagen und mit dem Wunsche danach componirt sind. Letztere
waren und blieben die höchste Angelegenheit dieser grossen Bauepoche,
welche alle ihre Kräfte dafür aufwandte, sobald sie irgend durfte. Ihre
schwachen Seiten beginnen erst da, wo ihr diess hohe Ziel aus äussern
Gründen versagt wird.
Die
Centralbauten
frühsten
Renaissance.
der
Die Phantasie des XV. Jahrh. war schon mit Rund- iind Polygon-
bauten erfüllt, als Brunellesco an zwei nur untergeordneten Kirchen
den Centralbau in ganz neuer Gestalt zur Erscheinung brachte.
Bauten dieser Art auf Hintergründen der Altargemälde und Reliefs;
Vasari III, p. 117, v. di Ghiberti; IV, p. 147, v. di Castagno. Dann be-
sonders in peruginischen Bildern, in Intarsien an Chorstühlen (ä. 151) etc.
Oft wiederkehrend zumal ein achteckiger Kuppelbau, einfache Remi-
niscenz der schlichtern Baptisterien des Mittelalters.
Ein solcher Wirklich im XV. Jahrh. ausgeführt: S. Giacomo in Vico-
varo oberhalb Tivoli, mit dem bekannten, noch überwiegend gothischen
Prachtporlül- (Vgl. Vasari III, p. 241 u. Nota, vita di Brunellesco.)
Dann die neuen Motive: Brunellescds nur angefangenes Polygon bei
den Angeli in Florenz, ä. 9. Die Abbildung bei D'Agincourt, ArchiL,
T- 50; Vasari III, p. 229, 5., 242, v. di Brunellesco; vita anonima
P- 1871 Achtseiiiger Kuppelraum mit ebensovielen hochgeöffneten Capellen,
Wovon 6 der Verehrung der 12 Apostel geweiht sein sollten; reines Ober-
licht durch 8 Fenster; in den Mauerdicken die ersten Nischen der modernen
Baukunst, gewiss nicht bloss zur Stoffersparniss, sondern damit das Princip
des Kuppelbaues auch im Einzelraum ausklinge.