Kapitel.
der Kirchen.
Composition
Die
97
Er hat zunächst als Raurnstyl (ä. 30, 32) ein Recht auf die
Formen der vor ihm dagewesenen organischen u. a. Style und soll sie
nach seinem innern Bedürfniss aufbrauchen, wobei ihn sein Genius führen
wird. Er kann vielleicht einzelne dieser Formen noch für specifisch sacral
halten, und auch die Renaissance hat einige Fenster- und Thürformen
anfangs wirklich dafür angesehen, bis der Palastbau dem Kirchenbau
diese Formen und sogar (mit Palladio) den Frontgiebel abnahm. Character
und Bestimmung des Baues sind hier nur in der Gesammtform ausge-
drückt; das Detail ist dem Heiligen und dem Profanen gemeinsam.
Sehr bedenklich aber ist es, sich auf die geringere Religiosität des
damaligen Italiens im Vergleich mit der gothischen Blüthezeit des Nordens
zu berufen, ganz als 0b man Religiosität und kirchliche Rechtgläubigkeit
unserer nordischen Baumeister des XIII. und XIV. Jahrh. genau messen
könnte. Auf der andern Seite haben auch die sehr frommen Italiener
der Renaissance nicht heiliger gebaut als ihre Zeit- und Kunstgenossen.
Im Süden ist das Grosse und Schöne von selber heilig. Jeder mag
entscheiden, ob dabei der Begriff des Heiligen niedrig oder der der Kunst
hoch genommen sei. (Vgl. das Wort Michelangelds in der Relation des
Francesco d'Olanda 1549, bei Raczynski, les arts en Portugal, p. 14:
wDie wahre Malerei ist edel und fromm von selbst, denn schon das Ringen
nach der Vollkommenheit erhebt die Seele zur Andacht, indem es sich
Gott nähert und vereinigte im Sinne des Sprechenden gewiss für die
Kunst überhaupt geltend.)
Wenn dann irgend etwas die religiöse Unsicherheit unserer Zeit be-
weist, so ist es die ungemeine Empfindlichkeit gegen angeblich nicht
heilige Formen.
Centralbaues.
des
Wesen
Wohl aber hat die Renaissance die höchste, allem Gothischän
wesentlich überlegene kirchliche Bauform, den Centralbßll, bist nfilue
an die absolute Vollendung ausgebildet und einer künftlgen Rehglosltat
zum Vermächtniss hinterlassen.
Der Gentralbau ist das letzte im Reich der absoluten Bauformen wie
der griechische Tempel das erste. Seine Möglichkeiten sind noch lange
nicht erschöpft; es mag Zwischenperioden geben wie unser XlX. Jahr-
hünden, Welcheß das Pensum des XIII. noch einmal aufsagen muss
immer von Neuem wird jene grosse Aufgabe auftauchen, wobei die Ver-
suche der Renaissance als unentbehrliche Vorstufen glänzend in ihr Recht
eintreten werden.
Bnrckh ardt , Italien. Renaissance. Zweite Auü. 7