Die Caracci, ihre Zögl. u. Nnchf. bi_s auf Cignani.
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In den wenigen Arbeiten Valesicfs zu Bologna, wie der
Verkündigung des Bettelordens, sieht man eine trockene und
flache Behandlung, aber eine miniaturmässige Genauigkeit.
In Rom, wo einige Wand- und Oelbilder von ihm sind,
scheint er etwas fortgeschritten zu seyn; und sein allerbestes
Bild ist wol eine Religion im lllinervenkloster. Diese Künstler
aus der caraccischen Schule begnüge ich mich hier ange-
zogen zu haben, indem sie nur zu den gemeinen Anhängern
derselben gehörten.
Näher betrachtet und klar erkannt zu werden verdienen
die fünf folgenden. Diese, auch in Rom bleibend, wurden
Anführer neuer Schaaren, welche Abzeichnung und Namen von
ihnenannahmen; daher wir denn bald die iAlbanisten, bald
die Guidisten, bald andere erwähnen mussten. Da schon
mehrmal von ihnen gesprochen worden ist, so werden wir sie
hier kürzer behandeln können.
Domenico Zanxpieri, oder Domenichixio Z3) wird
allgemein noch immer für den besten Schüler der Caracci ge-
halten, ja vom Grafen Algarotti den Caracci selbt vorge-
zogen; und, was mehr sagen will, Poussin hielt ihn für
den ersten Maler nach Raff ael 24). Fast eben so urtheilt
23) Vgl. G oethe's Winckclnzann S. 214. 217. 220. 222. 224. W.
24) lch habe mich schon am Eingange dieses iVerks über den
Standpunct der lanzischen Knnsturtheile und gegen alles vergleichende
Schätzen ausgesprochen. Dass Dom enichino also besser, als einer
der Caracci und beinahe so gut wie Raffael war, sind unge-
rcimte Behauptungen. Domenic hino war ein Künstler irn vollem
Sinne des WVorts, ganz abgesehn von andern , die es auch waren.
Er hatte sehr viel Sinn für Natürlichkeit und seine Ideen standen
also in Bildern vor seiner Seele, welche mit den Erscheinungen in
der Wirklichkeit, auf eine oft ergreifende YVeise, übereinstimmen,
Seine Werke sind höchst naiv. lu Aufgaben, zu welchen eine mit
Hiahrnehmungen aus der tVirklichl-"eit erfüllte Einbildungskruft nicht
ausreicht, also beiGegenständen, die nicht erst beobachtet, sondern nur
durch die schöpferische Phantasie, aus freier Kraft, erzeugt werden
können, war das, was Domenichino leistete, ungenügend. Zum
Glück lebte er unter Italienern, in einer: schönen, begünstigten Wirk-
lichkeit, und so [laben alle seine Bilder immer etwas auf Wiohlgefal-
len mit Recht Anspruch machendcs. Dome n ichi n o ist seiner Nu-
tur nach ein Genremaler, wobei man nun freilich nicht einen Künst-
ler im niederländischen Geschmack denken muss, der sich in der Dürf-
tigkeit und Niedrigkeit umhertreibt und im Sclnnuz sich die hässlich-
sten Gesichter aussucht, sondern einen solchen, der unter einem
schönen, feurigen Volke lebte und ernste und würdige Begebenheiten