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Oberitalien.
Drittes Buch.
Die bologner Schule.
denen Stylen darzustellen. So hat Lodovico in der Predigt
Johannis des Täufers bei den Karthäusern (wo Crespi na-
mentlich Paol Veronese trifft) die Zuhörer des Heiligen auf
eine Weise dargestellt, dass ein Kenner sie als raffaelisch,
tizianisch, tintorettisch unterschied. So malte Anni-
bale, der eine Zeit lang nur Coreggio betrachtete, als er
endlich Lodovicois Styl annahm, das berühmte Bild für
S. Giorgio, wo er in der grossen Jungfrau Paolo nachahmte,
im göttlichen Kinde und dem kleinen Johannes Coreggio
nacheiferte, in Johannes dem Evangelisten Tizian, und in
der holdseligsten. Katharina Parmigianino vor Augen hatte.
Gewöhnlich verfolgten sie den zweiten Weg, und es liessen
sich mehrere Beispiele minder offener, unbefangenerer, gemisch-
terer und dergestalt bemessener Nachahmungen anführen, dass
ein höchst ureigenthiimliches Ganze daraus hervorging. Der
wunderliche Agostino ahmte sogar die alten Gesetzgeber
nach, welche ihre Gesetzsammlung in wenig Versen befassten,
und schrieb das allerdings mehr malerische als dichterische So-
nett, welches eigentlich Niccolino Abati loben sollte, aber
zugleich den Grundsatz seiner Schule aussprach, aus jedem
Style die schönste Blume zu pflücken
Wie weit dies denxCaracci gelungen seyn möchte, ist
nicht leicht anzugeben; dass sie aber glücklicher als jeder an-
dere danach strebten, ist ihr Ruhm. Was ihnen anfangs am
meisten abging, war die Nachahmung des Alten; Agostino
nannte es die römische Zeichnung. Als aber er und Anni-
bale sich als Fremde in Rom aufhielten, brachten sie dieselbe
doch wieder gewissermassen zum Leben und gaben sie den Römern
wieder; selbst Lodovicopwenn er gleich in Bologna blieb,
bewies doch bei mehrern Gelegenheiten, dass sie ihm (nicht
fremd war. In der Hauptsache, bemerkt Mengs, hielten alle
Drei sehr an Coreggids breiten Umrissen, überhaupt seiner
Zeichnung, wiewol sie das Rund- und Bauchhohle nicht gegen
einander abwogen, wie er, sondern mehr dies als jenes liebten.
S0 licssen sie auch Anderes in dieser Nachahmung beiseite lie-
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