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Oberitalien.
Drittes Buch.
Die bologner Schule.
wohnheit übergehe, und die Gewohnheit sodann zur Schnellig-
keit verhelfe.
Wie er nun so, fest in seinem Vorsatz, in Bologna die
besten Einheimischen studirt hatte, so hielt er sich in Venedig
an Tizian und Tintoretto, ging von 11a nach Florenz
und bildete seinen Geschmack nach Andrea's Gemälden und
Passignano's Lehren. Die llorenzer Schule war damals in
jenem Umschwunge begriffen, den wir in ihrem vierten Zeit-
raume geschildert haben. Nichts konnte den jungen Lodovico
mehr fördern, als der Kampf der Anhänger der alten Schule
mit denen der neuen; und nirgends als in diesem Gegensatze
konnte er die Wege, auf welchen die Malerei verfiel und wie-
der erstand, besser kennen lernen. Unstreitig war dies der
grösste, wiewol bisher minder bemerkte Vorschub, der ihm die
Umgestaltung der Malerei versuchen und glücklich fördern half.
Um die Mattigkeit ihrer Meister abzulegen, hatten die besten
Florenzer sich zu den Mustern Coreggicfs und seiner Jünger
gewendet, und ihr Verfahren, wenn ich nicht irre, führte
Lodovico von Florenz nach Parma, wo er sich diesem Schu-
lenhaupte und dem Parmigianino, sagt sein Geschicht-
schreiber, ganz hingab. Als er nach Bologna zurückkam, sah
er, wiewol gut aufgenommen und für einen guten Maler ge-
achtet, doch ein, dass ein, besonders so rückhaltiger und vor-
sichtiger Mann wie er, nicht füglieh gegen eine ganze Schule
ankämpfen könne, wofern er nicht, wie Cigoli in Florenz
gethanhatte, sich einen Anhang unter der Jugend verschaffte.
Diesen also suchte er zunächst unter den Seinen. Sein Bru-
der Paolo trieb die Malerei, war aber sehr arm an Rath und
Geist, und eigentlich nur gut, fremde Erfindungen verständig
auszuführen. Auf diesen achtete er mithin wenig; dafür aber
auf seine zwei Vettern. Er hatte nämlich einen Oheim von Vaters
Seite, Namens Antonio, einen Schneider seines Gewcrbs, der
zwei Söhne, Agostino und Annibale, daheim erzog, welche
so viel Anlage zum Zeichnen hatten, dass Lodovico noch
in seinem Alter zu sagen pflegte, in den vielen Jahren seines
Lehramtes habe er auch nicht Einen Schüler gehabt, der ihnen
gleichgekommen wäre. Der Erste legte sich auf die Gold-
schmiedekunst, die von je die Pflanzschule der besten Kupfer-
stecher war; der Zweite war zugleich Schüler und Gehülfc des