Die Caracci,
ihre Zögl. u. Nachf. bis auf Cignani.
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hunderten. In den vorigen Büchern sind wir fast alle_ Schulen
durchgegangen, und haben früher oder später entweder die
Caracci selbst, oder ihre Zöglinge, oder doch ihre Nachfah-
ren die alten Grundsätze umstürzen und neue einführen ge-
sehen, so dass kein Maler auftrat, der nicht in einer oder
der andern Beziehung Caraccist beissen konnte. Wie es fnun
Reisenden angenehm ist, wenn sie lange einem königlichen
Strome entlang gewandelt, höher aufwärts zu gelangen und
seine Quellen zu sehen, so wird es hoffentlich den Lesern lieb"
seyn, nunmehr den Punct zu erblicken, von welchem dieser neue
Styl in die Welt ausging und in nicht gar langer Zeit jede
Schule erfüllte und beherrschte. Das wunderbarste darin ist
für mich, dass er von Lodovieo Caracci ausging, einem
Jüngling, der in der ersten Zeit sehr langsamen Geistes und
eher zum Farbenreiben, als zu ihrer Verschmelzung und Be-
handlung gemaeht schien. Seine Meister, Fontana in Bologna
und Tintoretto in Venedig, riethen ihm, die Malerei, wozu
er nicht tauge, aufzugeben; die Mitschüler verspotteten- ihn als
geistesträgen Ochsen, und bezeichneten ihn auch mit keinem an-
dern Namen; alles versehwor sich, ihn zu entmuthigen; nur er
fasste Mnth, liess sich durch Widerstand nicht verwirren, son-
dern nur aufregen. Seinedfrügheit; war aber auch nicht in Ver-
standessehrvüche und Kurzsiehsigkeit, sondern 'l'iefsinn gegrün-
det; er fürchtete das Ideal z) als eine Klippe, woran viele
seiner Zeitgenossen gescheitert waren; allenthalben suchte Qr
die Natur auf; über jede Linie gab er sich Rechenschaft; er
glaubte, ein Jüngling müsse nur gut arbeiten, bis dies in Ge-
Mittel und künstlerischen Kenntnisse, besonders der Formen des
menschlichen Körpers , einführten , allein auch eine sehr nachtheilige
Einwirkung, indem sie die Kunst auf da Erlerubare beschränkten,
in der Erfindung auf fremde Muster hinwiesen und so die freischaf.
fende Geistesthätigkeit in Schulregelu feßsellen. Die Rliltelmässigkeit
befand sich dabei wohl, weil siesich in bestimmten Schranken sicher
bewegen konnte und vor Ausartuugßn der lllanieristen geschützt war.
Allein das Genie wurde mehr (nder weniger gehemmt, je xiachdem es
zu eignet Selhsthätigkeit gelangen "konnte, und gewiss hätten Guido
und Domenichino zu einer andern Zeit und unter anderer Lei-
tung sich noch treillicher , origineller und freier entwickelt.
Q.
2) In der falschen und schlechten Bedeutung, die L anzi dem Worte
giebt. Q.
Ill. Bd.