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Oberitalien.
Drittes Buch.
Die bologner Schule.
lern. Ein Meister Domenico aus Bologna lebte damals,
der wol mit den Ersten um den Preis ringen konnte; er lebte
nicht daheim. Seinüber zwei Jahrhunderte begrabener Name
ist vor einigen Jahren wieder aus der Urkundensammlung des
heil. Sigisnnund in Cremona auferstanden, in welcher Kirche, er
an der Gewölbdecke einen vom Walllisch ausgespienen Jonas
malte, der in der Perspective von unten nach oben sehr lo-
benswerth ist. Das Bild ist von 1537, wo diese Kunst in Ita-
lien noch neu war; auch könnte ich nicht sagen, ob Dome-
nico sie von Coreggio, oder vielmehr von Melozzo ge-
lernt, dessen Styl er näher kommt. Ein anderes Werk von
ihm habe ich nicht gesehen, noch andere Nachrichten über
ihn gelesen, indem er auch den Geschichtsschreibern von Bo-
logna unbekannt ist, vielleicht, weil er immer fern von dort
lebte.
Zuerst also brachte und verbreitete neuen Styl in Bologna
Bagnaeavallo, der in Rom mit Raffael und gewiss nicht
ohne Nutzen gearbeitet hatte. So gründliche Zeichnung, als
Giulio oder Perino, hatte er nicht; aber im Colorit nahte,
ja glich er ihnen vielleicht, und in Anmuth der Gesichter,
wenigstens der kindlichen, übertraf er sie. Im Anordnen hielt
er viel auf Raffael, wie sein berühmter Lehrstreit des heil.
Augustinus bei den Scopetinern zeigt, wo man die Grundsätze
der Schule von Athen und anderer figurenreieher und edle,-
Erfindungen des Sanzio wiederlindct. Ja, oft begnügte er
sich in Behandlung seiner Aufgaben ihn schlechthin abzunxalen,
weil er es für thöricht hielt zu glauben, man könne es besser
machen; worin er mir denn Vida's und anderer Dichter sei-
ncs Jahrhunderts Meinung gewesen zu seyn scheint, welche in
ihre Werke ganze Stücke aus Virgilius aufnahmen, weil sie
ihn zu übertreffen verzweifelten. Dieser Grundsatz, welcher,
soviel Wahres er auch enthalten mag, doch dem Diebstahl und
der Faulheit Thor und Thür öffnet, that ihm wahrscheinlich
bei Vasari Eintrag, der in ihm mehr einen gewandten 113'114-
fertigen Künstler, als einen in der Kunsttheorie wohl begrün-
deten Meister lobt. Aber seine Bilder von eigener Erlindung
zu S. Mich-elc in Bosco, zu S. Martina, zu S. Maria Maggiom
sprechen ihn von diesem Vorwurf frei; und gewiss hätten die
Caracci, Albano und Guido seine Arbeiten nicht so eifrig