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Ueber
Styl
und
Manier.
sinnliche Anschauungen zu wiederholen, hat wol überhaupt kein
anderes Vorbild zu wählen, als die Natur, uml keinen andern
Maasstab anzuerkennen, als seine individuelle Emplindungsart."
Wie sich auch der Anzeiger bei dieser Stelle entsetzen
möge, er wird vielleicht einsehen, dass es auch noch ein an-
deres Urtheil, als das seine, giebt, und dass er S. 210. f.
nicht sich so bittersüss, so komischerbosst anzustellen und zu
gebärden gebraucht hätte. Lanzi's Philippica gegen Baldi-
nucci's Kunstschulenstammbaum, gegen Vasari werde ich
eben so wenig schneidend scharf, anmasslich u. s. w. nennen,
als seine Furcht, Gleichzeitige und Akademiker zu tadcln, lie-
hensivürdige Bescheidenheit und Milde, oder seine Lobhudelei
Battfs kunstrichterlieh würdige Unbefangexihcit.
Doch ich muss nun noch etwas über meinen Redestyl sa-
gen, den freilich wol der Ref. nicht zuerst und nicht allein
als minder gefällig tadelt; denn, wiewol mein geehrter Freund
und Mitherausgeber den armen L a n zi, S. 212., noch schihjfez- be-
handelt hat, ihm schlagfertig noch näher zu Leibe rückt, so liegt
doch meine Grausamkeit in dem Mangel an einem munlern, gereis-
sermassen gesellschaftlich leichten, gesellschaftlich fi-eien Tone,
der die Worte dem Hörer nicht granu-eise zuwiegt! Vvenn
nach Buffon der Styl der Mensch ist und nach Lessing
jeder ihn so wenig ändern kann, als seine Nase, so muss ich
freilich keinen andern zu haben ungeheuchelt bedauern. Auch
will ich ihn fiirwahr Keinem als löblich empfehlen, noch darin
mich mit irgend Jemanden messen. Nur gegen den Vorwurf
der Gcsnchtheit darf und muss ich ihn mit dem besten Gewis-
sen in Schutz nehmen, wenn anders Besonnenheit, Ueberlegung
und Reflexion nicht gleichbedeutend mit Gesuchtheit und Kün-
stelei seyn sollen. Auch die empfohlene Gefälligkeit des Styls
möchte nicht so unbedingt wiinsehenswerth seyn, da sie eben so
wohl eine höchst subjective Federung des dermaligen Lesehungers
und der eingerissenen Bildungseuche seyn kann, welchen eine Ge-
mächlichkeit und Denkscheu wol nüthig seyn mag, um bald mit
wenigem viel zu gewinnen, als eine objective, welche dies ent-
hält, dass die Sprache wie ein leichtes, durchsichtiges Gewand
sich an den Leib des Gedankens anschmiege und das Spiel seiner
Glieder in Maas und. schöner Begrünzung andeute. Wenn ich