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Oberitalien.
Drittes Buch.
Schule.
Die bologner
Franciavs Schule gerechnet; warum sich Vasari nicht ge-
kümmert hat, indem er die Nachwelt bloss mit Amico's Aus-
sehn und Sitten unterhalten wollte, die ein Gemisch von An-
genehme, Einfalt und Narrheit waren. Er hatte einen Grund-
satz in der Malerei angenommen , der auch in dem Schriften-
thum jenes Jahrhunderts gäng und gebe war: jeder müsse
in seinen Arbeiten ein Bild seines eigenen Geistes hinterlas-
sen, und wie Erasmus Cicer0's Nachahmer im Schreiben
verlachte, so er RaffaePs Nachahmer in der Malerei. Sein
Hauptgeschäft war, Italien zu durchschweifen, hier und da
ohne Wahl, was ihm gefiel, abzumalen, und dann ein Ganzes
auf seine Weise als erzhandfertiger Erfinder daraus zu machen,
um mit Vasari zu reden. S0 ist in S. Patronin eine Pieta
von ihm, die in Formen, Bewegungen, Gruppirung der Gestal-
ten mit den Malern des vierzehnten Jahrhunderts wetteifern kann.
Doch muss man mit Guercino bemerken, dass Amico
zweierlei Pinsel führte, einen, womit er wohlfeil, oder aus
Trutz, oder aus Rache malte - so uralte er in S. Petronio
und an mehrern andern Orten und einen andern, wenn er gut
bezahlt wurde, wo er sich wohl hütete, Laune einiliessen zu las-
sen; und diesen brauchte er an mehrern von Vasari selbst
angeführten Palastgiebeln, in S. Martina und vielen von Mal-
vasia angeführten Arbeiten, der ihn für einen guten Nach,
ahmer Giorgionfs ausgiebt.
Sein älterer Bruder war Guido, ein Jüngling von aus-
serordentlichem, vielleicht übertriebenem Fleisse, der in seinem
35. Jahre, von Dichtern seiner Vaterstadt vielfältig besungen,
starb. Malvasia glaubt, wenn er länger gelebt hätte, möchte
er Bagnacavallcfs Ruhm erlangt haben; soviel versprachen
eine Kreuzigung von ihm unter der Süulenhalle von S. Pietro,
und andere Arbeiten. Nach dieses Lebensbeschreibers Meinung
war es Bosheit von Vasari, dem Guido Ercoleaus Fer-
rara zum Meister zu geben und Amieo um diese Ehre zu
bringen. Ich stimme Vasari bei, überzeugt durch Guido's
Alter, Geschmack und das in dem vorbelobten Bilde angege-
bene Jahr 1491, das sicherlich dem Schüler eines Schülers von
Francia nicht zusagt. Aehnliche kunstrichterliche Verstösse
haben wir auch an Baldinucei bemerkt, und sie sind nicht
leicht vermeidlich, wo Parteigeist herrscht.