Rückblick.
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lig Verehrte anzudcuten, sondern auch Christus und seine Jün-
ger vorzustellen. Allein sie ist noch zu unvermögend, einen
Begriff bis zur Anschaulichkeit auszubilden, und die Gestalten,
wvie in dauerhafter Musivarbeit sich viele Bilder bis jetzt erhalten
haben, sind mehr noch Hieroglyphen, als eigentliche Darstellungen.
Attribute und Parabeln, welche aus heiligen Schriften be-
kannt waren, z. B. die vom guten Hirten, mussten dazu die-
nen, was dargestellt werden sollte, kenntlich zu machen. Ja,
die Kunst war so weit gesunken, dass bis zur Hervorbringung
einer Achnlichkeit, also eines Portraits, die Hand den Dienst
versagte, und man zufrieden war, Gesichter durch Linien an-
Zudeuten, welche für menschliche Ziige erkannt wurden.
Gerade diese Unbeholfenheit musste im Anfange der wieder-
erwachenden Kunst eine starke Bezeichnung von Charakteren
veranlassen, und die zwar rohen Grundzüge vdn Apostel- und
Christusbildern bestimmen, welche so typisch wurden, dass man
von einem wahren Christusbildnis zu fabeln anfing. Da nun
die Ausübung der bildenden Kunst nie ganz unterbrochen wer;
den ist und die Charaktere der Christus - und Apostelbildel"
durch zwar rohe und scharf bezeichnende Darstellungsversuche
festgestellt waren, so pflanzten sich diese Typen fort und kön-
nen noch in den Grundzügen der Ideale der spätem Zeiten
und den ausgebildetsten Kunstwerken wiedererkannt werden 5).
In der Stille bildete sich die Kunst in Klöstern allmälich
Weiter aus, hauptsächlich durch die Ausschmückung von Ge-
betbüchern und Handschriften, was den Mönchen am nächß
sten lag. So kam es, dass die Miniaturmaler allen andern
weit vorauseilten, indess die Kunstgebilde im Grossen die be-ß
kannten typischen Formen immer mit weniger Verschiedenheit
wiederholten, indem man dadurch um so gewisser war, dass
das Bekannte desto leichter yerstanden wurde. Die Kunst war
in bekannten Typen gleichsam erstarrt. Die Vorstellungen der
Gnostiker hatten keinen entscheidenden Einiluss auf die Typen
der bildenden Künstler, wenigstens keinen verbreiteten.-
Wenn auch von frühesten Zeiten an griechische und latei-
nische Künstler neben einander lebten, und ihre Vorstellungs-
Weise unterschieden werden kann, und zwar die der Grieche!)
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S. R um ohr ' s Italienische Forschungen.
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