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Oberitalien.
Viertes Buch.
Die ferrarer Schule.
Tisio verwechselt, so dass sogar sein Bildnis für das des
Tisio gehalten und in die bologner Ausgabe des Vasari als
solches aufgenommen worden ist. Dort hatte O r t o l a n o
um 1512 nach den wenigen Werken RaffaePs und nach de-
nen des Bagnacavallo sich gebildet, dessen Styl er nach-
her in etlichen Gemälden naehahmte. Da er wegen eines Mords
früher, als er wollte, abreisen musste, so brachte er es nicht
zu einer vollständigen Nachahmung RaffaeVs, doch weit
genug im Geschmack der Zeichnung und der Fernen, womit er,
wie Baruffaldi sagt, eine rüstigere Farbe, als Raffael
hatte, verband; und dies ist- dieser Schule fast im ganzen sech-
zehnten Jahrhundert eigen. Mehrere Bilder von ihnen sind in
die römischen Sammlungen übergegangen, wo sie, glaube ich,
heutzutage dem Tisio zugeschrieben werden, dessen erste mehr
ileissige, als saftige Manier wol mit der des Ortolano ver-
wechselt werden kann. Andere hat Ferrara noch sowol öffent-
liche, als in Eigensammlungen, und eins von der gewöhnlichen
alten Anordnungsart ist in S. Niccolö, mit Angabe des Jahrs
1520. In der Pfarrkirehe Bondeno befindet sich ein anderes,
welches Scannelli S. 319 lobt. Es stellt die Heiligen Se-
bastian, Rochus und Demetrius dar, welcher kriegerisch geklei-
det, sich ganz nachdenklich auf den Degenknauf in so maleri-
scher und wahrer Gebärde stützt, dass er auf den ersten Blick
das Auge gewinnt.
Es ist kein Wunder, wenn sein Name durch Tisio ver-
dunkelt wurde, da dieser verdientermassen als der Beste der Fer-
rarer gepriesen wird. Wir haben schon bei der römischen Schule
weitläufiger von ihm gehandelt, theils weil er unter Raff aePs
Schülern eine sehr würdige Stelle einnimmt, theils weil kei-
ner so häufig in den römischen Sammlungen vorkommt, als
Benvenuteo. Hier haben wir seinen ersten Unterricht unter
Panelli erwähnt, aus dessen Schule er sich nach Cremona
zu seinem mütterlichen Oheim Niecolö Soriani, -und nach-
her zu Boecaecio Boecacci begab. Als nachher 1499 Nic-
colö starb, iloh er von Cremona, und hielt sich zuvörderst
fünfzehn Monate mit dem floreilzer Giüll Baldini in Rom
auf. Hierauf, ilaehdem er mehrere Städte Italiens besucht,
weilte er zwei Jahre bei Costa in Mailand, kehrte dann auf
nur kurze Zeit "nach Ferrara und endlich wieder nach Rom zu-