2
Oberitalien.
DriHeS
Buch.
knechtete ihrem Häuptling nach, und konnte sich nur in dem
Theile hervortlnm, worin er alle übertroffen hatte. Aber dies
Sichhervorthim hiess bei diesen Künstlern nichts, als dieselben
Figuren willkürlich auiliilliger, oder Vfertiger nachmalen, oder
doch mindestens ungchörigen Orts anbringen. Die Raffaeli-
sten schweiften überall im idealen 2), die Michelangelisten
im Anatomischen aus; unstatthafte Lebhaftigkeit und unstatt-
hafte Verkürzung kehrte in jedem ruhiger zu haltenden Stoffe
bei Venedigern und Lombarden wieder.
Einige zwar, wie wir jedesmal bemerkten, tauchten aus
dem gemeinen Yorurtheile, wie aus einem über Italien han-
gendcn Nebel, auf und studirten auswärtige Meister, um aus
jedem die schönste. Blume zu pflücken; und vor allen gaben
hierin die Campi in Cremona sehr gute Muster. Doch un-
gleich an Gelehrsamkeit und Geist, in mehrere Schulen ge-
theilt, durch besondere Zwecke getrennt, gewohnt, ihre Zög-
linge nur die Bahn zu führen, die sie selbst verfolgten, und
überdies stets in die Gränzen ihrer Landschaft eingeengt, lehr-
ten, oder verpllanzten sie wenigstens die wahrhafte und löb-
liche ßachahmungsiveise in Italien nicht. Diese Ehre war Bo-
logna vorbehalten, dessen Bestimmung zu lehren war, wie
Roms zu herrschen; und dies war nicht WVerk einer Akademie,
sondern eines Hauses. Die Familie Caraeci, reich an geist-
vollen„einmüthigen, mehr auf die Geheimnisse, als den Sold
der Malerei gerichteten Gliedern fand den Weg der Nnehab.
mung, verkündete ihn zuvörderst der benachbarten Romagna,
hierauf dem übrigen Italien, das nun in kurzem von einem
Meere bis zum andern allenthalben davon voll war. Der In-
begriff ihrer Lehre War, der Maler müsse, so zu sagen, zwi-
schen Natur und Kunst mitten inne stehen, abwechselnd bald
diese, bald jene beschauen, und je nach der ihm verliehenen
i
2) Unter Idealen sind bei Lanzi niemals jenelUrbilder der Dinge,
wie sie in der srhalfenden Phantasie des Künstlers ruhen, welche
immer mit defNatnr, wo sie am ungestfirteslen das Vdllkonlmenste
hervorbringt, übereinstimmen, sondern jene willkürlichen Zerrbilder
zu verslehu, die den Naturgesetzen widersprechen, von einer gesun-
de" Phantasie verworfen werden, nur einem Modegesrhmack zusagen
unrl die Cavicaiuren des Schönen sind, das in den Werken der Na-
tur und grossei- Künstler in edler Einfalt sich darlegt. Q.
i
i