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Oberitalien.
Drittes Buch.
Die bologner Schule.
derselben. Auch die Falten der Kleider veränderte er hundert-
fiiltig, wiewol er sie gern breit, leicht, wahr, in ihrem Eut-
stchen, ihrem Fortwurf uml Fall wohl verstanden malte. Nicht
minder mannichfaltig waren seine jugendlichen Köpfe angeputzt,
das Haar bald aufgelöst, bald zusammengehalten, bald kunst-
reich nachlässig mit Schleiern, 'l'üchern, oder 'I'urbanen um-
wunden, stets neu und lieblich. Eben so drückte er an alten
Köpfen die unebeneiHaut und das Fallen des Bartes natürlich
aus, indem er das Haar nach allen Seiten wendete, mit man-
chen entschlossenen und kühnen Pinselstrichen und wenigen
Lichtern beseelte, die vorzüglich fernen. Dergleichen hat der
Palast Pitti, die barberinische und albanische Sammlung, und
es sind seine minder seltenen. Arbeiten. S0 war er auch sehr
sorgfältig in Behandlung des Fleisches; an zarten Gegenstän-
den war es höchst weiss, dazu setzte er noch gewisse gelb-
liche und bläuliche Mischungen in die Halbtinten, welche
Manche für manierirt halten 44).
Das Guidws Style nur eben ertheilte Lob trifft nicht
alle seine Arbeiten. Er war bekanntlich ungleich, nicht nach
Grundsätzen, sondern lediglich wegen eines Lasters, das seine
vielen Tugenden verdunkelt, nämlich des Spiels. Er gewann
Schätze und dennoch war er seiner Verluste wegen stets in
Dürftigkeit, und half sich mit naehlässigem Malen. Daher so
mancher Fehler in der Fernung, mancher Mangel der Eriin-
dung, den ihm der unversöhnliche Albani zu so schwerem Vor-
wurfe machte; daher die Verzeichnungen und die Ungleichheit
der Figuren, das Unschlüssige vor der Beendigung seiner Ar-
beiten. Zwar werden sie darum auch in königlichen Samm-
lungen nicht verschmäht, und die turiner hat einen höchst
vollendeten Marsyas, vor welchem ein kaum mehr als entwor-
fener Apollo steht. Indess muss man, um Guido zu wiirdi-
gen, andere Arbeiten von ihm sehen, die ihm einen Namen
machten. Unter seine besten in seiner starken Manier rechne
ich die Kreuzigung Petri in Rom, das Mannawuniler 45) in Ra-
44) Der Farbeneinklang dieses Malers muss wnl einige Freiheiten
entschuldigen. S. Lazzarini Pilmre di Pcsaro. p. 29. L.
45) Diese prächtige Capelle des heiligsten Sacramexxts beim Dom zu
Ravenna, wurde auf Kosten des Cardinals Pietro Aldolu-andinq m'-